Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung bewilligter Leistungen der Grundsicherung bei Verschweigen zugeflossener Einnahmen des Leistungsberechtigten
Orientierungssatz
1. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB 2 i. V. m. §§ 330 Abs. 3 S. 1 SGB 3, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB 10 ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Grundsicherungsanspruchs geführt haben würde.
2. Bei einer gezahlten Abfindung handelt es sich um anrechnungsfähiges Einkommen, das grundsätzlich auf sechs Monate aufzuteilen ist. Den Abfindungsbetrag hat der Grundsicherungsberechtigte für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Er kann sich nicht darauf berufen, damit Schulden getilgt zu haben.
3. Im Fall einer rückwirkenden Aufhebung bewilligter Leistungen hat grundsätzlich der Leistungsträger die tatsächlichen Umstände zu beweisen, die eine Rücknahme der Leistungsbewilligung rechtfertigen. Sind in der Sphäre des Leistungsempfängers wurzelnde Vorgänge nicht aufklärbar, so ist eine Umkehr der Beweislastverteilung gerechtfertigt (BSG Urteil vom 24. 5. 2006, B 11a AL 7/05 R). Bei dem Verbrauch zugeflossener Gelder handelt es sich um Vorgänge, die in der Verantwortungssphäre des Grundsicherungsberechtigten wurzeln.
4. Die zu Unrecht bezogenen Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 SGB 10 zu erstatten.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen für den Zeitraum von Oktober 2010 bis März 2011.
Der 1951 geborene, im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger bezog bis einschließlich Januar 2011 Arbeitslosengeld I (Alg I) nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Daneben und danach erhielt er (aufstockend) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Bescheid vom 1. Juni 2010 waren ihm für die Monate Oktober bis Dezember 2010 Leistungen in Höhe von monatlich 183,45 Euro bewilligt worden. Dabei hatte der Beklagte einen Bedarf in Höhe von 1.202,25 Euro (359,- Euro Regelsatz und 843,25 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung) sowie Einkommen aus Alg I in Höhe von 1.048,80 Euro abzüglich eines Freibetrags von 30,- Euro berücksichtigt. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 bewilligte der Beklagte für den Monat Januar 2011 Leistungen in Höhe von 182,45 Euro, für die Monate Februar und März 2011 in Höhe von monatlich 1.207,25 Euro. Infolge der Erhöhung des Regelsatzes wurden mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 für den Monat Januar 2011 Leistungen in Höhe von 187,45 Euro (Bedarf: 364,- Euro Regelsatz und 843,25 Euro Unterkunftskosten; Einkommen aus Arbeitslosengeld I: 1019,80 Euro) bewilligt, für die Monate Februar und März 2011 in Höhe von monatlich 1.207,25 Euro (Bedarf wie im Januar 2011, kein Einkommen).
Der Kläger hatte ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, die Firma A. GmbH geführt. Dieses war im August 2010 durch Abschluss eines Vergleichs beendet worden, mit dem sich die A. GmbH verpflichtet hatte, an den Kläger restliche Abfindung gem. § 1a Kündigungsschutzgesetz in Höhe von 5.838,- Euro brutto zu zahlen. Am 6. Oktober 2010 erhielt der Kläger den sich daraus ergebenden Nettobetrag in Höhe von 4.904,83 Euro von Herrn Rechtsanwalt F., der ihn vor dem Arbeitsgericht vertreten hatte, in bar ausgezahlt.
Der Beklagte erhielt im Dezember 2010 im Rahmen eines Datenabgleichs nach § 52 SGB II die Mitteilung, der Kläger sei im September 2010 bei der A. GmbH beschäftigt gewesen. Auf Nachfrage des Beklagten teilte die A. GmbH mit, der Kläger sei im September nicht beschäftigt gewesen und übersandte eine Verdienstabrechnung, in der für den Monat September 2010 die oben genannte Abfindungszahlung aufgeführt war.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dieser habe nach seinen Erkenntnissen in der Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. Dezember 2010 Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen. Aufgrund der Abfindung errechne sich kein Leistungsanspruch mehr. Der Kläger habe die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht angezeigt habe. Der Kläger erhalte Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Der Kläger antwortete hierauf, er habe nicht zu viel erhalten. Er habe Schulden bei seinem Kreditinstitut und bei Freunden in Höhe von ca. 6.000,- Euro.
Am 4. Mai 2011 erließ der Beklagte einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem er die Bewilligungsentscheidungen vom 1. Juni 2010 und vom 1. Dezember 2010 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 31. Januar 2011 ganz und für den Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis zum 31. März 2011 teilweise aufhob und insgesamt einen Betrag in Höhe von 2.312,74 Euro erstattet verlangte. Zur Begrün...