Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Grundsicherungsleistungen bei fortdauernder Immatrikulation des Studierenden. Ausbildungsförderung. Tatsächliches Betreiben des Studiums. Berufliche Weiterbildung. Aufhebung des Bewilligungsbescheids. Wesentliche Änderung. Unvollständige Angaben. Grobe Fahrlässigkeit. Erstattung. Hinreichende Bestimmtheit
Orientierungssatz
1. Nach § 7 Abs. 5 SGB 2 sind Auszubildende von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen, wenn sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem BAföG sind. Ein Auszubildender besucht eine Ausbildungsstätte i. S. des § 2 Abs. 1 BAföG nur dann, wenn er die Ausbildung tatsächlich durchführt, vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 102/11 R.
2. Eine fortbestehende Immatrikulation spricht für ein Betreiben des Studiums. Dies gilt auch dann, wenn die Universität davon abgesehen hat, den Studenten wegen fehlender Prüfungen zu exmatrikulieren, weil die Möglichkeit verbleibt, das Studium weiter zu betreiben. Erst recht spricht für eine solche Annahme, wenn der Student die Studiengebühren nur aus einer erhaltenen Entschädigungszahlung aufbringen kann.
3. Unerheblich ist, wenn sich der Studierende selbst in der Lage sieht, sich sowohl um eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu kümmern als auch ein Vollzeitstudium an einer Universität zu betreiben.
4. Hat der Studierende in einem Folgeantrag zu Leistungen des SGB 2 seine weiter bestehende Immatrikulation verschwiegen, so ist der Bewilligungsbescheid zu Leistungen des SGB 2 rückwirkend aufzuheben, mit der Folge, dass die gewährten Leistungen zu erstatten sind.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 5; BAföG § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 5; SGB III § 77; SGB X § 33 Abs. 1, § 45 Abs. 1, 2 Nr. 2, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 50
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch die Aufhebung und Erstattung von Leistungen für den Zeitraum Juli 2009 bis August 2010 auf Grund der Immatrikulation der Klägerin an der Universität H. im Fach Z ...
Die am 7. September 1962 geborene Klägerin stand seit 1. Januar 2005 im Leistungsbezug. Sie war ab dem Wintersemester 2003/2004 als ordentliche Studierende an der Universität H. im Fach Z. immatrikuliert. Am 23. April 2009 wurde die Klägerin inhaftiert und anschließend am 29. Mai 2009 (nach eigenen Angaben aufgrund mangelnder Entrichtung der Studiengebühren) zunächst exmatrikuliert. Nach ihrer Entlassung aus der Haft am 2. Juli 2009 erwirkte die Klägerin zum 16. Juli 2009 eine Wiederimmatrikulation. Die Klägerin blieb danach durchgehend bis einschließlich September 2010 an der Universität H. im Fach Z. eingeschrieben.
Am 22. September 2004 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Leistungen. Im Formblattantrag kreuzte sie in der Rubrik "Persönliche Verhältnisse" - "Auszubildender - auch in Schulausbildung" "nein" an. Diese Angabe machte sie auch im Antrag vom 16. April 2007. In den Fortzahlungsanträgen vom 30. März 2005, 12. April 2005, 30. August 2005, 3. März 2006, 24. August 2006 und 28. September 2007 kreuzte sie jeweils in der Rubrik "Persönliche Verhältnisse" "keine Änderung" an. Im insoweit geänderten Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen vom 31. März 2008/1. April 2008 kreuzte sie in der Rubrik "Änderung der persönliche Angaben unter Ziffer 2 d "Sind Sie Studentin?" "nein" an. In den Weiterbewilligungsanträgen vom 17. September 2008, 19. März 2009, 22. Dezember 2009 und 23. Juni 2010 kreuzte sie in der Rubrik "Änderung in den persönlichen Verhältnissen nach Abschnitt 2 a bis 2 e "nein" an, wobei unter der Ziffer 2 c jeweils ausdrücklich Angaben zum Studentenstatus erbeten wurden, die die Klägerin unterließ. Im Weiterbewilligungsantrag vom 3. Juli 2009 kreuzte sie unter der Rubrik "Änderungen in den persönlichen Verhältnissen nach Abschnitt 2 a bis 2 e "ja" an und teilte mit, dass sie vom 22. April 2009 bis 3. Juli 2009 in einer stationären Einrichtung untergebracht war.
Im Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. August 2010 ergingen folgende Leistungsbescheide (B= Bewilligung, Ä = Änderung) am:
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B - 30.11.2004 |
für den Zeitraum 01.01.2005 - 28.02.2005 |
592,53 EUR |
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01.03.2005 - 31.03.2005 |
579,19 EUR |
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01.04.2005 - 30.04.2005 |
512,53 EUR |
B - 26.04.2005 |
für den Zeitraum 01.05.2005 - 30.09.2005 |
512,53 EUR |
Ä - 10.06.2005 |
für den Zeitraum 01.05.2005 - 30.09.2005 |
583,64 EUR |
Ä - 06.07.2005 |
für den Zeitraum 01.05.2005 - 30.09.2005 |
759,41 EUR |
Ä - 06.07.2005 |
für den Zeitraum 01.01.2005 - 28.02.2005 |
819,62 EUR |
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01.03.2005 - 31.03.2005 |
806,28 EUR |
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01.04.2005 - 30.04.2005 |
739,62 EUR |
Ä - 06.07.2005 |
für den Zeitraum 01.05.2005 - 30.09.2005 |
759,41 EUR |
B - 01.09.2005 |
für den Zeitraum 01.10.2005 - 28.02.2006 |
759,41 EUR |
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01.03.2006 - 31.03.2006 |
746,08 EUR |
Ä - 09.03.2006 |
für den Zeitraum 01.03.2006 - 31.03.2006 |
749,08 EUR |
B - 09.03.2006 |
für den Zeitraum 01.04.2006 - 30.09.2006 |
682,41 EUR |
Ä - 28.08.2006 |
für den Zeitraum 01.04.2006 - 30.09.2006 |
684,91 EUR |
B - 28.08.2006 |
für den Zeitraum 01.10.2006 - 31.0... |