Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Übernahme von Fahrkosten des Versicherten durch die Krankenkasse bei notwendiger medizinischer Behandlung
Orientierungssatz
1. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB 5 übernimmt die Krankenkasse nach den Abs. 2 und 3 Fahrkosten, wenn diese im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind.
2. Grundsätzlich wird sowohl in § 60 Abs. 1 S. 1 SGB 5 als auch in § 8 Abs. 2 S. 1 KrTRL ausdrücklich darauf abgestellt, dass in der Person des behandlungsbedürftigen Versicherten liegende medizinische Gründe für den Krankentransport vorliegen. Dagegen gehört zur Eigenverantwortung regelmäßig die Aufbringung der Mittel, die zur örtlichen Erreichung der ärztlichen Versorgung gehören.
3. Damit beschränkt sich die Leistungspflicht der Krankenkasse für Fahrkosten auf medizinisch notwendige Fälle.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom 7. August 2020 aufgehoben soweit die Beklagte auch zur Tragung der jeweils notwendigen Fahrtkosten der Klägerin nach B. und zurück verpflichtet worden ist. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten im Verfahren vor dem Sozialgericht. Im Berufungsverfahren trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme von Fahrtkosten der Klägerin zu Nadelepilationsbehandlungen zur Entfernung von blonden Gesichtshaaren.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 24. Februar 2017 vor dem Hintergrund ihrer Transsexualität für die Transition vom Mann zur Frau eine Nadelepilationsbehandlung zur Gesichtshaarentfernung. Im Rahmen der Antragstellung teilte sie mit, dass sie seit gut zwei Jahren Hormone nehme und vor knapp 1,5 Jahren ihren Namen und Personenstand geändert habe. Zur Begründung ihres Anspruchs übersandte sie eine Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie Prof. Dr. H2 vom 31. Januar 2017 und der psychologischen Psychotherapeutin Dr. K. vom 19. Januar 2017. Zudem reichte sie einen Kostenvoranschlag der Elektrologistin S. vom 22. Januar 2017 ein. Mit Bescheid vom 9. März 2017 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass Frau S. keine zugelassene Vertragspartnerin sei.
Dagegen legte die Klägerin am 4. April 2017 Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruchs-verfahrens teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach ihren Informationen der Arzt G.M. die Leistung erbringen könne. Nach einer Rückmeldung der Klägerin, dass dieser die Leistung seit Jahren nicht mehr erbringe, ergab eine Rückfrage der Beklagten in der Praxis von Herrn M., dass dieser Nadelepilationsbehandlungen zwar noch durchführe, seine Kapazitäten aber erschöpft seien und er keine neuen Patienten aufnehme, zudem beende er zum Jahresende seine Tätigkeit aus Altersgründen. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass sie ihr keinen Arzt benennen könne, der die Leistung erbringe, die Kosten einer Kosmetikerin bzw. Elektrologistin aber dennoch nicht übernommen werden könnten.
Die Beklagte veranlasste im Anschluss eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. W. vom MDK kam in seinem Gutachten vom 15. August 2017 zu der Einschätzung, dass die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Nadelepilationsbehandlung erfüllt seien. Die im Kostenvoranschlag von Frau S. angesetzten 120 Behandlungsstunden sah Dr. W. als sehr hoch an und hielt zunächst 30 bis 40 Stunden/Behandlungseinheiten und dann eine erneute Begutachtung für sinnvoll.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kosten für eine Behandlung durch eine Elektrologistin nicht getragen werden könnten, da diese keine Ärztin sei und es sich bei einer Elektrologistin um kein in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Leistungserbringung zugelassenes Berufsbild handele.
Die Klägerin hat am 22. Februar 2018 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat.
Im Rahmen des Klageverfahrens hat sie einen Kostenvoranschlag der Dermatologin Dr. J. vom 8. Januar 2020 aus B. eingereicht, die als Privatärztin bereit sei, die Nadelepilationsbehandlung zu erbringen.
Die Beklagte hat auf die Aufforderung des Gerichts, einen Vertragsarzt zu benennen, der bereit und in der Lage ist, die Nadelepilationsbehandlung anzubieten (vgl. Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 13.September, Bl. 16 - 17 der Gerichtsakte), mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2019 mitgeteilt, dass ihr seitens der Kassenärztlichen Vereinigung kein Vertragsarzt habe benannt werden können.
Das Sozialgericht hat der Klage durch Urteil vom 7. August 2020 im Wesentlichen stattgegeben. Sie sei zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die Klägerin habe zwar keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Kosten der Entfernung der Gesichtsh...