Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme für Fahrkosten bei ambulanter Kontrolluntersuchung nach Nierentransplantation. hohe Behandlungsfrequenz. Verfassungsmäßigkeit des Abstellens auf Häufigkeit und Dauer der Behandlung. Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben. Vermeidung oder Verkürzung einer voll- oder teilstationären Krankenbehandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine hohe Behandlungsfrequenz iS von § 8 Abs 2 KrTRL ist bei einer quartalsweise vorzunehmenden Behandlung nicht gegeben, auch wenn diese auf unabsehbare Zeit erforderlich ist.
2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass § 8 Abs 2 KrTRL nur auf Häufigkeit und Dauer der Behandlung abstellt und die zurückzulegende Fahrstrecke sowie die wirtschaftliche Lage des Versicherten außer Betracht lässt.
3. Zur Frage, ob eine Behandlung oder ein zu dieser Behandlung führender Krankheitsverlauf einen Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist (§ 8 Abs 2 KrTRL).
4. Ambulante Kontrolluntersuchungen nach Nierentransplantationen vermeiden oder verkürzen eine voll- oder teilstationäre Krankenbehandlung nicht deshalb iS von § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 5, weil sie auch der Früherkennung von Abstoßreaktionen dienen. Für die vermiedene oder verkürzte Krankenhausbehandlung muss vielmehr eine konkrete Indikation bestanden haben.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 1. August 2007 - S 17 KR 202/05 - wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Fahrtkosten zu einer ambulanten Kontrolluntersuchung nach Nierentransplantation.
Die 1946 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Im Jahre 1994 wurde bei ihr eine Nierentransplantation in der Universitätsklinik der M.-Universität in H. durchgeführt. Seitdem unterzieht sie sich dauerhaft zur Minimierung von Abstoßreaktionen einer Immunsuppressions-Therapie. Zur Therapiesteuerung und Früherkennung von Veränderungen im transplantierten Organ finden etwa vierteljährlich Kontrolluntersuchungen in der Transplantationsambulanz der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie der M. -Universität in H. statt.
Die Klägerin, die über Pkw und Führerschein verfügt, benutzt für die Fahrten zu den Kontrolluntersuchungen ein Taxi. Die einfache Strecke zwischen ihrem Wohnort in Z. (Sachsen-Anhalt) und H. beträgt ca. 60 km. Bis zu Beginn des Jahres 2005 erstattete die Beklagte ihr die Kosten. Mit Schreiben vom 22. März 2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Genehmigung von Taxikosten zur Kontrolluntersuchung am 14. April 2005 unter Beifügung der ärztlichen Verordnung des Nephrologen an der M. -Universität Dr. R. (Bl. 13-14 der Verwaltungsakte = VA). Darin ist vermerkt, dass auf Grund der Nierentransplantation mit anschließender immunsuppressiver Therapie ein vergleichbarer Ausnahmefall zur hochfrequenten Behandlung vorliege. Die aus der Immunsuppressions-Therapie folgende erhöhte Infektionsgefahr bedinge die Meidung öffentlicher Verkehrsmittel und die Beförderung mit einem Taxi. Die Kontrolluntersuchungen seien unbefristet quartalsweise notwendig. Schließlich erfolge die ambulante Behandlung auch zur Vermeidung eines stationären Aufenthalts (Bl. 15, 16 VA).
Mit Bescheid vom 29. März 2005 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die seit dem 1. Januar 2004 durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz geänderte Rechtslage eine Genehmigung der Kostenübernahme ab (Bl. 8-9 VA). Die Klägerin führte die Fahrt am 14. April 2005 mit einem Taxi durch. Die von ihr getragenen Kosten beliefen sich auf 129,50 € für Hin- und Rückfahrt.
Am 17. Mai 2005 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Ärzteteams des Transplantationszentrums der Universitätsklinik H. vom 12. Mai 2005 ein, in dem dazu aufgefordert wurde, nierentransplantierten Patienten im Stadium der Kontrolluntersuchungen Fahrtkostenunterstützung nach Einzelfallprüfung zu gewähren (Bl. 6-7 VA). Die Kontrolluntersuchungen durch erfahrene Fachmediziner in Transplantationszentren seien geboten. Die betroffenen Patienten aus den neuen Bundesländern müssten vielfach von niedrigen Renten oder Sozialhilfe leben und könnten die zum Teil erheblichen Fahrtkosten nicht aufbringen. Aus medizinischer Sicht komme den nierentransplantierten Patienten der Status eines „chronisch Kranken“ zu.
Mit Schreiben vom 18. Mai 2005, bei der Beklagten am 23. Mai 2005 eingegangen, beantragte die Klägerin eine „Überprüfung“ der Ablehnung ihres Fahrtkostenübernahmeantrages (Bl. 3 VA). Die Beklagte behandelte dieses Schreiben als Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 29. März 2005 und wies diesen nach Einholung einer - ablehnenden - Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen unter Hinweis auf die seit dem 1. Januar 2004 geltende Rechtslage mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2005 als unbegründet zurück (Bl. 22-25 VA)....