Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeitergeld. Ausschlussfrist. Fristversäumnis. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kurzarbeitergeld ist nach § 325 Abs. 3 SGB II für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die die Leistungen beantragt werden. Wegen des Charakters als Ausschlussfrist kommt bei Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

2. Der Antragsteller trägt ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden das volle Übermittlungsrisiko. Pandemiebedingt gelten dabei auch keine anderen Bewertungsmaßstäbe. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG ist aufgrund der Ausschlussfrist nicht möglich.

3. § 324 Abs. 1 ist auf das Kurzarbeitergeld nicht anwendbar, da dieses erst nachträglich beantragt wird.

4. Der Ablauf der Frist kann im Einzelfall unerheblich sein, wenn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine Nichtbeachtung der Versäumung der Ausschlussfrist gerechtfertigt ist.

5. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Behörde nicht von ihrer ständigen Übung abgewichen ist.

 

Normenkette

SGB II § 325 Abs. 3, § 234 Abs. 1; SGG § 67

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) für den Monat Mai 2020.

Die Klägerin betreibt einen Imbiss in H. in der Rechtsform einer GmbH. Am 26. März 2020 zeigte die Klägerin der Beklagten Kurzarbeit für die Monate März bis Dezember 2020 an. Sie gab an, die betriebsübliche Arbeitszeit mit Änderungskündigungen vom 9. März 2020 von 40 Stunden wöchentlich auf 30 Stunden zu reduzieren und begründete dies mit der Corona-Pandemie, da die Kunden aufgrund der Ansteckungsgefahr ausblieben.

Mit Bescheid vom 22. April 2020 stellte die Beklagte das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls und das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug fest. Weiter hieß es in dem Bescheid:

„Kug wird deshalb den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Ihres Betriebes, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen (§ 98 SGB III), ab 01.03.2020 für die Zeit des Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen, längstens jedoch bis 28.02.2021 bewilligt.

Das Kug ist jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat) zu beantragen (vgl. Nr. 1 der Hinweise zum Antragsverfahren Kug). Es sind möglichst die Antragsvordrucke der Bundesagentur für Arbeit zu verwenden. Diese erhalten Sie bei der Agentur für Arbeit oder im Internet (www.arbeitsagentur.de). Diese Anträge müssen in einfacher Ausführung innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zur Vermeidung von Rechtsnachteilen bei der Agentur für Arbeit H. eingereicht werden. Die Ausschlussfrist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats, für den Kug beantragt wird. Aufgrund von Anträgen, die nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Ausschlussfrist bei der Agentur für Arbeit eingehen, können keine Leistungen gewährt werden. Eine Zusammenfassung mehrerer Kalendermonate zur Wahrung der Ausschlussfrist ist nicht möglich.“

Am 28. Mai 2020 beantragte die Klägerin jeweils Kug für März und April 2020, das antragsgemäß bewilligt wurde. Mit E-Mail vom 4. Dezember 2020 wandte sich die Klägerin an die Beklagte, da nur für die Monate März und April 2020 Kug gewährt worden sei, nicht aber für die Monate Mai bis Juli 2020. Am 4. Dezember 2020 gingen die Anträge der Klägerin auf Kug für Juni und Juli 2020 bei der Beklagten ein, am 4. Januar 2021 der Antrag auf Kug für Mai 2020. Die Klägerin beantragte für Mai 2020 für insgesamt 10 von 18 Mitarbeitern Kurzarbeitergeld in Höhe von 3.070,70 Euro sowie die Erstattung pauschalierter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 2.116,83 Euro.

Mit Bescheid vom 14. Januar 2021 lehnte die Beklagte den Antrag für den Monat Mai 2020 unter Hinweis auf die Ausschlussfrist des § 325 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) ab. Der Antrag sei erst am 4. Januar 2021 eingegangen und die Ausschlussfrist habe bereits am 31. August 2020 geendet. Die Anträge für Juni und Juli 2020 wurden mit Bescheid vom gleichen Tag ebenfalls abgelehnt. Mit Bescheid vom 14. Januar 2021 wurde die Entscheidung über Kug ab 1. Mai 2020 aufgehoben. Seien seit dem letzten Monat, für den Kug gewährt worden sei, drei Monate verstrichen, könne Kug nur nach erneuter Erstattung einer Anzeige über Arbeitsausfall gewährt werden.

Die Klägerin legte gegen alle Bescheide Widerspruch ein. Sie habe den Antrag für Mai 2020 am 2. Juni 2020 abgegeben und auch die Anträge für Juni und Juli 2020 habe sie rechtzeitig abgegeben. Sie habe mehrmals angerufen, aber immer mit verschiedenen Mitarbeitern gesprochen. Ihr sei stets gesagt worden, dass die Anträge in Arbeit seien. Die Klägerin legte Screenshots ihres E-Mail-Kontos vor. Danach wurden die Anträge für Mai, Juni und Juli 2020 an die E-Mailadresse _____ versandt.

Die Beklagte wies...

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