Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Juni 2021 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die aus Anlass des Ereignisses vom 21. März 2016 getätigten Aufwendungen nach den für die Beklagte geltenden Rechtsvorschriften gemäß § 105 Abs. 2 SGB X zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, bei der der Geschädigte (Versicherter) gesetzlich krankenversichert ist, die Erstattung von Aufwendungen gemäß § 105 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Der bei den Beteiligten versicherte H. war bei der Beklagten beschäftigt. Er erlitt am 21. März 2016 um ca. 12:30 Uhr einen Unfall, als er im Gebäude seiner Arbeitgeberin auf dem Weg zum Zeiterfassungsgerät, um sich zur Mittagspause auszuloggen, im Treppenhaus auf einer Stufe ausrutschte und sich dabei eine schwere Schulterprellung rechts sowie eine Ruptur der Rotatorenmanschette und der Supraspinatussehne zuzog. Die Klägerin übernahm zunächst die Kosten der Heilbehandlung.

Mit Bescheid vom 2. November 2016 lehnte die Klägerin das Unfallereignis als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Versicherte habe sich zum Unfallzeitpunkt auf dem Weg nach draußen befunden. Gemäß eigener Aussage habe der Versicherte vorgehabt, in der halbstündigen Mittagspause außerhalb des Betriebsgebäudes einen Spaziergang zu unternehmen. Dieser Weg habe in keinem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, sondern sei dem privaten, unversicherten Lebensbereich zuzuordnen. Zwar diene ein Spaziergang der eigenen Gesundheit und somit indirekt auch der eigenen Arbeitsleistung, allerdings bestehe Versicherungsschutz bei Spaziergängen an der frischen Luft nur in solchen Fällen, in denen Besonderheiten der Arbeitsplatzumgebung oder die Art der Arbeit einen Spaziergang in der freien Zeit erforderlich mache, um die Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Die Art der Arbeit des Versicherten stellten an die physischen und psychischen Kräfte keine besonderen Anforderungen, sodass die Erholung in der Arbeitspause in der von dem Versicherten gewählten Form für die Fortsetzung der Arbeit nicht notwendig gewesen sei. Gegen diesen Bescheid legte der Versicherte keinen Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 9. November 2016 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihren Erstattungsanspruch in Höhe von 5.479,65 EUR geltend und fügte diverse Rechnungen dem Erstattungsschreiben bei. Unter dem 27. Januar 2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass weitere Kosten entstanden seien, so dass sich die Forderungssumme insgesamt auf 5.655,85 EUR belaufe.

Die Beklagte wies den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 24. August 2017 zurück. Der Versicherte habe sich zum Zeitpunkt des Ereignisses im Dienstgebäude der Beklagten befunden und sei auf dem Weg nach draußen gewesen, um in seiner Mittagspause einen Spaziergang zu unternehmen. Da er sich zum Zeitpunkt des Unfalles im Dienstgebäude des Arbeitgebers befunden habe, falle das Ereignis unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Arbeitgeber verfüge in seinen Gebäuden im Eingangsbereich über eine elektronische Zeiterfassung, mit dem die Arbeitszeiten dokumentiert würden. Das Buchungsterminal sei bei Arbeitsaufnahme und -ende sowie bei jedem Verlassen des Dienstgebäudes, insbesondere während der Ruhepausen und auch bei kurzfristigen Unterbrechungen der Arbeit, mit dem Buchungsausweis zu bedienen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Ereignisses auf dem Weg zum Buchungsterminal gewesen, um seine Arbeitszeit durch einen Spaziergang zu unterbrechen. Das Dienstgebäude gehöre zum räumlichen Machtbereich des Dienstherrn. Der Unfall habe sich im Treppenhaus des Gebäudes, also in einem Gefahrenbereich, in dem der Beschäftigte entscheidend aufgrund der Anforderungen des Dienstes tätig sei, ereignet. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe der Versicherte daher noch dem Direktionsbereich seines Arbeitgebers unterstanden.

Die Klägerin entgegnete mit weiteren Schreiben, dass nach allgemeiner Auffassung Anknüpfungspunkt der Prüfung, ob eine versicherte Tätigkeit vorliege, die finale Handlungstendenz des Versicherten zur Zeit des Unfallereignisses oder der Zweck seines Handelns sei. Die Handlungstendenz des Versicherten sei im vorliegenden Fall eindeutig darauf ausgerichtet gewesen eine private bzw. eigenwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Es existiere keinerlei Regelung dahingehend, dass der Versicherungsschutz alleine dadurch begründet sei, dass sich jemand noch im Dienstgebäude befinde. Vielmehr kenne die gesetzliche Unfallversicherung keinen sogenannten Betriebsbann, d. h. die Erfassung aller Unfälle, die sich in einem Betrieb ereignen, gleichviel, ob sie durch eine Verrichtung verursacht seien, die im inneren Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit stehe.

Nachdem die Beklagte den Erstattungsanspruch weiterhin ablehnte, hat die Klägerin am 8. Juni 2020 K...

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