Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Erwerbsfähigkeit des verstorbenen Versicherten zur Begründung eines Anspruchs auf Elternrente. Unterhaltsbedürftigkeit. Hypothetische Änderung der Einkommensverhältnisse des Verstorbenen. Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Nach § 69 SGB 7 erhalten u. a. Eltern, die von dem Verstorbenen zur Zeit des Todes des Versicherten aus dessen Arbeitsentgelt wesentlich unterhalten worden sind oder ohne den Versicherungsfall wesentlich unterhalten worden wären, eine Rente, solange sie ohne den Versicherungsfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt wegen Unterhaltsbedürftigkeit hätten geltend machen können.
2. Nach der Entscheidung des BSG vom 22. 10. 1975 (8 RU 194/74) rechtfertigt eine nach dem Tod des Unfallversicherten lediglich mutmaßlich eingetretene wesentliche Änderung der Verhältnisse die Neufeststellung der Elternrente i. S. ihrer Entziehung. Das ist u. a. dann der Fall, wenn die Unterhaltsfähigkeit des Versicherten infolge anzunehmender Gründung einer eigenen Familie wahrscheinlich weggefallen wäre. Die geltende Rechtslage ist nach § 48 SGB 10 zu behandeln. Danach führt eine hypothetische Änderung der Verhältnisse nicht zur Entziehung der Rente, weil es insoweit an einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse i. S. des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB 10 fehlt.
3. Die Voraussetzungen für die Rentengewährung sind als den Anspruch begründende Tatsachen im Vollbeweis zu führen. Das macht den Nachweis erforderlich, dass der verstorbene Versicherte ein Einkommen hätte, aus welchem seine Eltern einen Unterhaltsanspruch ableiten könnten. Jedwede Festlegung zum beruflichen Werdegang, zum Familienstand, zu Zahl und Unterhaltsbedarf eventueller Kinder bleibt bei einem in jungen Jahren Verstorbenen ebenso Spekulation wie eine Aussage zum heutigen Gesundheitszustand, zum Fortbestand der Erwerbsfähigkeit und zum Innehaben eines Arbeitsplatzes.
Normenkette
SGB VII §§ 69, 214 Abs. 3; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; SGG § 128 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Elternrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung im Streit.
Die verstorbene Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 waren Eheleute. Aus ihrer Verbindung sind insgesamt sieben Kinder - vier Söhne und drei Töchter - hervorgegangen. Der am 1. November 1956 geborene Sohn S.G. fuhr als Decksmann auf dem unter deutscher Flagge fahrenden Küstenmotorschiff "M." der Reederei M.C. in R., welche sich am 27. Oktober 1979 von H./ E. nach S./ S1 befand. Er gilt als seit dem 27. Oktober 1979 um 04.10 Uhr vermisst. Die Ursachen des Unfalls ließen sich nicht feststellen. Es wird davon ausgegangen, dass er zu diesem Zeitpunkt bei hoher Dünung mit grober See auf dem Weg nördlich der Doggerbank ohne Verschulden der Schiffsführung über Bord gefallen und ertrunken ist (Spruch des Seeamts Flensburg vom 4. Dezember 1979 Reg.-Nr. 42/79). Die Beklagte erkannte den Vorgang als Arbeitsunfall an und gewährte - weil der Vermisste seine Eltern bis zu seinem Tode finanziell unterstützt hatte - seinen Eltern mit Bescheid vom 28. August 1981 nach § 596 Reichsversicherungsordnung (RVO) eine Elternrente. Dabei ging sie von einer monatlichen Heuer in Höhe von durchschnittlich 1.719,00 DM aus. Mit Bescheid vom 27. September 1983 entzog sie diese Rente ab 1. November 1983 unter Hinweis darauf, dass der Vermisste zu diesem Zeitpunkt vermutlich eine eigene Familie gegründet hätte und deshalb nicht mehr in der Lage gewesen wäre, zum Unterhalt der Eltern wesentlich beizutragen. Widerspruch und Klage hiergegen blieben (Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 1985 - 24 U 154/84) erfolglos. Das Sozialgericht ging in seiner rechtskräftig gewordenen Entscheidung davon aus, dass zwar die Eltern des Vermissten noch immer unterhaltsbedürftig gewesen sind, dass aber der Vermisste nunmehr Einkommen und Vermögen für den Unterhalt einer eigenen Familie hätte aufwenden müssen, so dass ihm Unterhaltsleistungen an seine Eltern nicht mehr möglich gewesen wären.
Unter dem 9. März 2007 begehrten die verstorbene Klägerin zu 1 und deren Ehemann, der Kläger zu 2, durch ihren Prozessbevollmächtigten erneut die Gewährung einer Elternrente, weil sie mittlerweile verstärkt hilfebedürftig geworden seien. Mit am 18. April 2007 bei der Beklagten eingegangener persönlicher Erklärung des Klägers zu 2 vom 19. Februar 2007 bat dieser zusätzlich darum, die seit 1982 vorenthaltenen Beträge nachzuzahlen. Nachdem die Beklagte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten auf die Bestandskraft des Entziehungsbescheides hingewiesen hatte, beriefen die Kläger sich ergänzend auf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Sie seien auf Unterhaltszahlungen der eigenen Kinder nunmehr dringend angewiesen. Es entspreche der allgemeinen Übung und Praxis d...