Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Kindererziehungs-, Arbeitslosigkeits- und Zurechnungszeiten bei der Rentenberechnung
Orientierungssatz
1. Die Höhe der Rente ergibt sich nach § 64 SGB 6, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenfaktor und der jeweilige aktuelle Rentenwert zum 1. Juli eines jeden Jahres mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
2. Voraussetzung für die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten durch die Anrechnung und Bewertung fiktiver Pflichtbeiträge in den ersten drei Lebensjahren und einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung ist nach §§ 56 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2, 57 SGB 6 ist u. a., dass die Erziehung des Kindes in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht.
3. Zeiten der Arbeitslosigkeit waren erstmals in der Zeit vom 1. 7. 1978 bis 31. 12. 1982 und danach erst wieder ab dem 1. 1. 1992 der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung unterworfen. Zeiten der Arbeitslosigkeit außerhalb dieser Zeiträume bleiben damit bei der Anrechnung außer Betracht.
4. Die Anrechnung von Zurechnungszeiten bestimmt sich nach § 59 SGB 6. Danach ist Zurechnungszeit die Zeit, die bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hinzugerechnet wird, wenn der Versicherte das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bei einer Erwerbsminderungsrente gilt das 62. Lebensjahr.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitgegenstand Die Beteiligten streiten über Beginn und Höhe der Rente der Klägerin wegen Erwerbsunfähigkeit unter weitergehender Anrechnung und Bewertung verschiedener rentenrechtlicher Zeiten.
Vorgeschichte Die am 29. Dezember 1944 in Ungarn geborene Klägerin absolvierte von 1959 bis Juni 1963 eine volkswirtschaftlich-technische Schulausbildung, die sie mit einem volkswirtschaftlich-technischen Diplom und der Berechtigung zum Besuch der Hochschule und der Universität abschloss. Am 23. Oktober 1965 wurde ihr Kind L. in Ungarn geboren und nach Angaben der Klägerin von ihr bis August 1972 erzogen. Vom 24. Juli bis 15. November 1963 war die Klägerin als Buchhalterin bei der ungarischen Staatsversicherungsgesellschaft, vom 18. November 1963 bis 26. Juni 1966 als Lohnbuchhalterin in einer Hanffabrik und vom 13. März 1967 bis 18. August 1972 als Buchhalterin bei den Wasserwerken in V. beschäftigt. Darüber hinaus legte die Klägerin vom 27. Juni 1966 bis 8. Oktober 1966 eine weitere Versicherungszeit zurück, die später von der Beklagten als ungarische Pflichtbeitragszeit angesehen wurde.
Im August 1972 verließ die Klägerin Ungarn. Das Kind L. blieb dort zurück. Die Klägerin begab sich zunächst nach Schweden, wo sie von August 1972 bis Februar 1973 Sozialleistungen von der Sozialverwaltung in S. bezog. Anfang März 1973 kam sie nach Deutschland. Vom 2. März bis 12. Juni 1973 hielt sie sich im Aufnahmelager für Flüchtlinge in Z. auf. Ihr Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte blieb ohne Erfolg; ihr weiterer Aufenthalt wurde zunächst geduldet. Eine Anerkennung als Vertriebene im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) besitzt die Klägerin nicht. Auch gehört sie nicht zum Personenkreis der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung im Sinne von § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG).
Am 20. November 1975 schloss sie die Ehe mit dem jugoslawischen Staatsangehörigen J.S ... Aus dieser Ehe ist am 29. Januar 1977 in Hamburg das Kind J. hervorgegangen. Am 24. Mai 1991 erwarb sie durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 15. Mai 1991 die deutsche Staatsangehörigkeit.
In der Zeit vom 8. Mai 1973 bis 15. September 1996 war die Klägerin mit zeitweiligen Unterbrechungen u.a. als Kassiererin, Buchhalterin, Büroangestellte und Sachbearbeiterin in der Registratur beschäftigt. Am 16. September 1996 erkrankte sie und bezog vom 28. Oktober 1996 bis 22. Oktober 1997 Krankengeld, vom 23. Oktober bis 4. Dezember 1997 Übergangsgeld, vom 5. Dezember 1997 bis 25. Juni 1998 wieder Krankengeld und im Anschluss daran bis 30. November 1998 Arbeitslosengeld; wegen der diesbezüglich im Rentenkonto gespeicherten und weiterer, bisher erfasster Versicherungszeiten wird auf den Versicherungsverlauf des Bescheides der Beklagten vom 30. August 2010 Bezug genommen. Ein von der Klägerin eingeleitetes Verfahren mit dem Ziel der Gewährung höheren als des ihr gewährten Kranken- und Übergangsgeldes ist ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg (nachfolgend SG) vom 14. März 2002, Urteil des Landessozialgerichts Hamburg (nachfolgend LSG) vom 21. Januar 2004).
Das ab 2. Oktober 1989 durchgeführte Kontenklärungsverfahren endete mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 25. Juni 1990. Eine Kindererziehungszeit wurde dabei nur für das in Hamburg am 29. Januar 1977 geborene Kind J. geltend gemacht, nicht dagegen für das am 23. Oktober 1965 in Ungarn geborene Kind...