Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Folge eines Arbeitsunfalls

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Feststellung einer Gesundheitsstörung als Unfallfolge nach § 102 SGB 7 besteht, soweit jemand einen Gesundheitsschaden erlitten hat, der im Wesentlichen durch den Gesundheitserstschaden verursacht oder einem Versicherungsfall aufgrund besonderer Zurechnungsnormen zuzurechnen ist.

2. Eine Posttraumatische Belastungsstörung /PTBS) setzt zu ihrer Anerkennung als Unfallfolge ein Unfallereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß voraus, welche bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 16. Januar 2017 eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) festzustellen und die Beklagte verpflichtet ist, eine höhere sowie dauerhafte Verletztenrente über den 31. Dezember 2017 hinaus nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 vom Hundert (v.H.) zu gewähren.

Der am xxxxx 1957 geborene Kläger erlitt am 16. Januar 2017 während seiner Tätigkeit als Montageleiter bei der R. einen Arbeitsunfall, als während der Beseitigung einer Störung am Förderband gegen 18:30 Uhr sein Handschuh in den Antrieb der Maschine geriet und den Finger mitzog. Eine Arbeitskollegin drückte kurz danach den Notfallknopf, um einen weiteren Einzug in das laufende Förderband zu verhindern. Der Kläger erlitt eine komplette offene Luxation des Grundgliedes des linken Mittelfingers und wurde am 16. Januar 2017 mit einem Rettungswagen in die Notaufnahme des A. Klinikums in H. gebracht und stationär aufgenommen. Die Verletzung wurde operativ und im Anschluss mit einer Gipsschiene versorgt und der Kläger am 17. Januar 2017 aus der stationären Behandlung entlassen und ambulant weiter behandelt. Die Unfallanzeige erfolgte am 19. Januar 2017.

Bei anhaltender Schwellung des Mittelfingers und persistierenden Bewegungseinschränkungen bestand zunächst weiter Arbeitsunfähigkeit. Ab dem 11. April 2017 fand eine Arbeits- und Belastungserprobung statt. Im Zwischenbericht vom 9. Mai 2017 des Dr. G. heißt es: „Trotz Ergotherapie und Schienenbehandlung ist die Beweglichkeit nur gering gebessert, so dass von einer bleibenden Bewegungseinschränkung auszugehen ist. Der UV kommt mit 6 Stunden Arbeit täglich gut zurecht, er merkt aber, dass ihn der Unfall sehr belastet und er psychisch labil ist, sodass wir eine psychotherapeutische Behandlung für indiziert halten…“ Die Beklagte genehmigte daraufhin probatorische Sitzungen bei einem Psychologen/ Psychotherapeuten.

Der Kläger war nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit vom 22. Mai 2017 wieder in Vollzeit bei seinem Arbeitgeber tätig und wurde am 8. Juni 2017 aus der ambulanten Behandlung entlassen.

Im Ersten Rentengutachten der Drs. med. G. und B. vom 11. Juli 2017 ist unfallchirurgisch eine offene Luxation im Mittelgelenk des Mittelfingers links mit knöchernem Ausriss der palmaren Platte radial als unfallbedingter Gesundheitserstschaden festgestellt worden. Es wurde eine MdE durch die unfallchirurgischen Folgen des Arbeitsunfalls für die Zeit vom 21. April 2017 bis zum 10. Juli 2017 von 10 v. H. festgestellt.

Im Rahmen der Feststellungen des gegenwärtigen Zustandes des Klägers wurde auch angegeben, dass der Kläger erhebliche psychische Probleme beim Arbeiten schildere und beim Arbeiten an Maschinen über „Gänsehaut“ klage und Angst habe. Das Unfallereignis komme wieder hoch, er sei antriebsarm und wolle manchmal nur weinen. Auf der Arbeit könne er sich noch zusammenreißen, aber zu Hause könne er sich nicht mehr motivieren.

Der Kläger stellte sich am 21. August 2017 bei der Traumatologin Dr. F. vor. Diese stellte im Erstbericht für Psychotherapeutenverfahren vom 23. August 2017 eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung fest, die die Bewilligung weiterer probatorischer Sitzungen zur genaueren Exploration und Diagnostik erforderlich gemacht habe. Mit Folgebericht vom 5. Oktober 2017 wurden eine Anpassungsstörung sowie eine längere depressive Reaktion diagnostiziert. Differentialdiagnostisch wurde eine PTBS mangels Vollbild der Symptomatik ausgeschlossen. Auch die depressive Symptomatik erfüllte zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Kriterien einer depressiven Störung nicht.

Die Beklagte beauftragte ein psychiatrisches Zusatzgutachten durch Prof. Dr. med. N. und H1 vom 28. November 2017. Dort schilderte der Kläger Schlafstörungen nach dem Unfall, welche sich zwei bis drei Monate nach dem Unfall und mit zunehmendem Arbeitspensum gebessert hätten. Allgemein gingen ihm die Dinge jedoch nicht mehr so leicht von der Hand wie vor dem Unfall, seine Konzentration habe abgenommen, er sei im Antrieb gemindert. Auch habe er gel...

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