Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. stationäre Krankenhausbehandlung. Entstehen der Zahlungsverpflichtung. Annahme einer Verwirkung des Vergütungsanspruchs. Behandlung einer Polysomnographie. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung. Auffälligkeitsprüfung. Beschleunigungsgebot
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse für stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS des § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 erforderlich ist (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24.
2. Für die Annahme einer Verwirkung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse reicht es nicht, wenn der Krankenhausträger die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat. Es müssen weitere besondere Umstände hinzutreten, die eine verspätete Geltendmachung des Vergütungsanspruchs als illoyal erscheinen lassen.
3. Die Behandlung einer Polysomnographie ist in der Regel Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und daher ambulant durchzuführen. Sie kann jedoch ausnahmsweise als stationäre Leistung erbracht und abgerechnet werden, wenn entweder der Versicherte an gravierenden gesundheitlichen Beschwerden leidet, die nur mit den spezifischen Möglichkeiten des Krankenhauses zu bewältigen sind, oder wenn eine ambulante Versorgung für den Versicherten nicht in dem notwendigen Maße zur Verfügung steht (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).
4. Bei der Frage, ob eine stationäre Behandlung überhaupt erforderlich war, geht es um eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5, die dem speziellen prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot des § 275 Abs 1c SGB 5 und damit insbesondere der sechswöchigen Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 unterliegt (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Juni 2014 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 545,86 EUR nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 1. August 2012 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die 1970 geborene Versicherte der Beklagten wurde in der Zeit vom 18. bis 19. September 2008 im Krankenhaus des Klägers stationär zur Durchführung einer Kardiorespiratorischen Polysomnographie behandelt. Unter dem 7. Oktober 2008 berechnete der Kläger der Beklagten hierfür 545,86 EUR, zunächst abzüglich der Eigenbeteiligung von 20 EUR. Der Abrechnung lag die Diagnosis Related Group (Diagnosebezogene Fallgruppe - DRG) E64D (Respiratorische Insuffizienz, ein Belegungstag) zugrunde. Der nach der Entlassung übermittelte Datensatz enthielt die Hauptdiagnose J96.1 (Chronische respirative Insuffizienz, andernorts nicht klassifiziert) nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10, Version 2008) sowie die Prozeduren 1-790 (Kardiorespiratorische Polysomnographie), 8-716 (Einstellung einer häuslichen maschinellen Beatmung) und 1-710 (Ganzkörperplethysmographie) nach dem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS), Version 2008.
Die Beklagte forderte den Kläger per Datenaustausch vom 5. November 2008 auf, innerhalb von fünf Tagen eine medizinische Begründung zu übermitteln, warum die Behandlung nicht ambulant hätte erfolgen können. Nachdem der Kläger darauf zunächst nicht reagierte, übersandte er seine Rechnung unter dem 7. Juli 2011 erneut. Die Beklagte lehnte die Zahlung daraufhin mit Schreiben vom 9. August 2011 ab und berief sich darauf, dass ein Verstoß gegen Treu und Glauben und das Beschleunigungsgebot vorliege. Der Kläger trat dem mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 entgegen und übersandte unter dem 25. Januar 2012 eine Zahlungserinnerung. Mit Schreiben vom 27. Juni 2012 berief sich die Beklagte erneut auf einen Verstoß gegen das allgemeine Beschleunigungsgebot und lehnte die Zahlung ab. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 6. Juli 2012 mit, dass die stationäre Behandlung der Versicherten aufgrund von Diabetes und Adipositas mit einem Body Mass Index (BMI) von 64 medizinisch erforderlich gewesen sei.
Mit seiner am 23. August 2012 erhobenen Klage hat der Kläger seinen Vergütungsanspruch weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, die Versicherte habe an einem schwerstgradigen obstruktiven Schlafapnoesyndrom sowie einer biventrikulär grenzkompensierten Herzinsuffizienz, insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas IV. Grades (BMI 64) sowie chronischem Nikotinabusus gelitten. Angesichts der erheblichen Komorbiditäten sei die gebotene Neueinstellung des Heimbeatmungsregimes nur stationär möglich gewesen. Die Klagforderung beinhalte die Eigenbeteiligung von 20 EUR, da diese bei ...