Entscheidungsstichwort (Thema)

Witwenrentenberechnung. Versorgungsausgleich. Malus. Wirkung des durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner zu Lebzeiten wahrgenommenen Antragsrechts nach §§ 37, 38 VersAusglG bei Versterben des ausgleichspflichtigen Ehepartners vor Renteneintritt. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner zu Lebzeiten wahrgenommene Antragsrecht nach §§ 37, 38 VersAusglG wirkt nicht zugunsten der Hinterbliebenen weiter (vgl BSG vom 24.4.2014 - B 13 R 25/12 R = SozR 4-2600 § 88 Nr 3).

2. Die geltende Rechtslage, die bewirkt, dass Hinterbliebene durch die Regelung des § 88 Abs 2 S 1 SGB 6 von einer Anpassung nach §§ 37, 38 VersAusglG profitieren, wenn der ausgleichspflichtige Ehepartner bereits eine angepasste Versichertenrente bezogen hat, während Hinterbliebene von Versicherten, die vor Renteneintritt verstorben sind, hiervon nicht profitieren, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.01.2021; Aktenzeichen B 13 R 5/20 R)

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.

Die Klägerin ist die Witwe des am 27. Dezember 2012 verstorbenen B. (im Folgenden: Versicherter). Zuvor war der Versicherte verheiratet mit der im April 2011 verstorbenen M.. Die Ehe wurde geschieden. Im Wege des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Versicherten wurden aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Ahrensburg vom 17. November 1994 Rentenanwartschaften in Höhe von mtl. 669,53 DM bezogen auf das Ende der Ehezeit am 28. Februar 1993 im Wege des Splittings auf M. übertragen. Die Entscheidung ist seit dem 6. Januar 1995 rechtskräftig. Am 6. Juni 1995 heiratete der Versicherte die Klägerin.

Am 17. Mai 2011 beantragte der Versicherte die Aussetzung der Kürzung seines Rentenanrechts wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person. Mit Bescheid vom 6. Juni 2011 teilte die Beklagte dem Versicherten mit, dass sie auf seinen Antrag vom 17. Mai 2011 die Kürzung seines Rentenanrechts ab 1. Juni 2011 aussetze. Zugleich enthielt der Bescheid den Satz: „Die Aussetzung der Kürzung wirkt sich nur auf Ihre Versichertenrente aus. Eine Hinterbliebenenrente aus Ihrer Versicherung wird aufgrund des Versorgungsausgleiches gekürzt“. Der Versicherte verstarb am 27. Dezember 2012 ohne selbst eine Versichertenrente bezogen zu haben. Auf den Antrag der Klägerin vom 8. Januar 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Rentenbescheid vom 13. Februar 2013 eine große Witwenrente beginnend am 27. Dezember 2012.

Mit Schreiben vom 21. Januar 2013 stellte die Klägerin einen Antrag auf Aussetzung des Versorgungsausgleiches. Mit Bescheid vom 26. Januar 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Kürzung ihrer Witwenrente durch den Versorgungsausgleich ab. Dem Antrag ihres verstorbenen Ehemannes auf Anpassung wegen Todes der ausgleichberechtigten Person sei zwar mit Bescheid vom 6. Juni 2011 entsprochen worden. Eine Rente mit besitzgeschützten persönlichen Entgeltpunkten, die auch als besitzgeschützte persönliche Entgeltpunkte der sich anschließenden Hinterbliebenenrente zugrunde zu legen wären (§ 88 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch ≪ SGB VI≫), habe ihr Ehemann aber vor seinem Tod nicht bezogen. Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) bestehe für die Hinterbliebene keine Antragsberechtigung.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2015 legte die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Januar 2015 ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2015, der am 12. Mai 2015 zur Post gegeben wurde, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person folge aus §§ 37 und 38 VersAusglG. Die Aussetzung der Kürzung des Anrechts könne sich nur für den ausgleichspflichtigen Ehegatten selbst in seiner Versichertenrente auswirken. Für Hinterbliebenenrenten aus seiner Versicherung sei eine Anpassung nicht zulässig. Darauf sei in dem Anpassungsbescheid vom 6. Juni 2011 hingewiesen worden. Dem Antrag, die Witwenrente ohne den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich nach der Scheidung der ersten Ehe zu berechnen, könne deshalb nicht entsprochen werden. Die Klägerin hätte auch keine ungekürzte Witwenrente erhalten, wenn ihr verstorbener Ehemann noch zu Lebzeiten eine Rente unter Berücksichtigung der Anpassung wegen Todes erhalten hätte. Die Witwenrente hätte zunächst mit dem Malus aus dem Versorgungsausgleich, also ohne Anpassung wegen Todes gemäß § 37 VersorgAusglG, berechnet werden müssen. Lediglich aufgrund eines möglicherweise bestehenden Besitzschutzes an persönlichen Entgeltpunkten aus der Versichertenrente (§ 88 Abs. 2 SGB VI) hätte sich der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich in der Hinterbliebenenrente eventuell nicht ausgewirkt. Daraus dürfe jedoch nicht der Schluss gezogen werden, da...

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