Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Anfall einer weiteren Fallpauschale bei Verlegung eines vollstationär behandelten Versicherten in ein anderes Krankenhaus. Vergütung für eine stationäre Behandlung. Medizinische Notwendigkeit. Wirtschaftlichkeitsgebot. Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch

 

Orientierungssatz

1. Bei der erforderlichen Verlegung eines Patienten während dessen stationärer Behandlung in ein anderes Krankenhaus rechnet jedes beteiligte Krankenhaus gegenüber der Krankenkasse des Versicherten eine Fallpauschale ab. Dies gilt nicht für Fallpauschalen, die im Fallpauschalen-Katalog als Verlegungs-Fallpauschalen gekennzeichnet sind. Diese sind von vorneherein für zeitlich begrenzte Teilabschnitte eines Behandlungsfalles kalkuliert.

2. Dass bei einer Verlegung jedes Krankenhaus eine eigene eigenständige Fallpauschale abzurechnen hat, ist nicht abhängig von der Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Verlegung. Maßgeblich ist lediglich, dass der Versicherte in dem anderen Krankenhaus gleichfalls eine vollstationäre Krankenhausversorgung erhalten hat.

 

Normenkette

SGB V § 12 Abs. 1, § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 4 S. 3; KHEntgG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1; KHG § 17c Abs. 1 Nr. 2

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf EUR 41.653,44 festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.

Der bei der Beklagten versicherte H.A. wurde seit dem 15. Februar 2009 im Krankenhaus I. stationär behandelt und über einen Zeitraum von zwei Monaten wegen einer nekrotisierenden schweren Pankreatitis bei chronischem Alkoholabusus mehrfach operiert. Am 14. Juni 2009 wurde er nach schwallartiger Entleerung großer Mengen Blut über die angelegten Drainagen zur notfallmäßigen gefäßchirurgischen Versorgung in das Krankenhaus des Klägers verlegt. Nach intensivmedizinischer Akutversorgung erfolgten dort mehrere Operationen zur gefäßchirurgischen Blutstillung abdomineller Gefäße sowie weitere Maßnahmen. Der Versicherte wurde bis zum 25. Juni 2009 maschinell beatmet und anschließend tracheotomiert. Am 8. Juli 2009 wurde er in die intensivmedizinische Abteilung des Krankenhauses I. zurückverlegt.

Mit Rechnung vom 1. Oktober 2009 forderte der Kläger von der Beklagten Behandlungskosten in Höhe von EUR 73.783,88, wobei er die Diagnosebezogene Fallgruppe (Diagnosis Related Group - DRG) A09B (Beatmung )499 und (1000 Stunden mit komplexer OR-Prozedur oder Polytrauma oder intensivmedizinischer Komplexbehandlung )3430/3220 Aufwandspunkte, ohne hochkomplexen Eingriff, Alter )15 Jahre, mit sehr komplexem Eingriff oder komplizierter Konstellation) zugrunde legte. Die Beklagte bezahlte die Rechnung zunächst, beauftrage aber am 8. Oktober 2009 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) mit der Prüfung, ob die gemeldeten Nebendiagnosen korrekt seien und aus welchen medizinischen Gründen die Verlegung am 8. Juli 2009 indiziert gewesen sei. Der MDK bestätigte in seinem Gutachten vom 24. März 2010 die kodierten Nebendiagnosen und die abgerechnete DRG. Weiter führte er aus, dass eine medizinische Begründung für die Verlegung nicht nachvollziehbar sei. Der Versicherte sei ins heimatnahe Krankenhaus zurückverlegt worden.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die Rückverlegung nicht medizinisch erforderlich gewesen und die dadurch veranlassten Mehrkosten in Höhe von EUR 40.949,55 zuzüglich der Transportkosten im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot daher nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen seien. Am 1. Oktober 2010 rechnete die Beklagte einen Betrag von EUR 41.353,44 (errechnete Mehrkosten zuzüglich Transportkosten in Höhe von EUR 403,89) gegen die Vergütungsforderung in einem anderen Behandlungsfall auf. Die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von EUR 300 lehnte die Beklagte ab.

Mit ihrer am 7. Juli 2011 erhobenen Klage hat der Kläger den Differenzbetrag von EUR 41.353,44 nebst Zinsen sowie die Aufwandspauschale in Höhe von EUR 300 (insgesamt also EUR 41.653,44) geltend gemacht. Er hat vorgetragen, der Vergütungsanspruch des verlegenden Krankenhauses sei nicht von der medizinischen Erforderlichkeit der Verlegung abhängig. Das aufnehmende wie auch das verlegende Krankenhaus rechne nach den maßgeblichen Bestimmungen der Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 (Fallpauschalenvereinbarung - FPV 2009) jeweils eine eigene Fallpauschale ab, die bei Unterschreitung der mittleren Verweildauer durch Abschläge gemindert werde. Diese Abschlagsregelung diene als Instrument zur Gegensteuerung von rein fiskalischen Überlegungen bei Verlegungen. Dementsprechend habe das aufnehmende Krankenhaus im Falle einer Rückverlegung innerhalb von 30 Kalendertagen eine Fallzusammenführung vorzunehmen. Darüber hinaus gehende Kom...

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