Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütung für stationäre Krankenhausbehandlung. Berücksichtigung einer Fallzusammenführung
Orientierungssatz
1. Werden Krankenhauspatienten, für die eine Fallpauschale abgerechnet werden kann, wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder in das Krankenhaus aufgenommen, so hat das Krankenhaus nach § 8 Abs 5 KHEntgG iVm § 2 Abs 3 der Fallpauschalenvereinbarung (juris: KFPVbg 2008) eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen.
2. Eine Komplikation umfasst negative Folgen einer medizinischen Behandlung, beispielsweise Nachblutungen, Hämatome, Thrombosen, Infektionen und deren unerwünschte Nebenwirkungen.
3. In den Verantwortungsbereich eines Krankenhauses fallen neben absehbaren behandlungstypischen auch unvorhersehbare, untypische Komplikationen. Beruht die erneute Einweisung in dasselbe Krankenhaus auf Umständen, die mit der früheren Behandlung in keinerlei Zusammenhang iS direkter oder gemeinsamer Ursächlichkeit stehen, handelt es sich um einen neuen Behandlungsfall, der zur Abrechnung einer weiteren Fallpauschale berechtigt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. März 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten versicherte R.W. wurde zunächst vom 30. Juni bis 8. Juli 2008 in einem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus stationär wegen einer Bursitis praepatellaris behandelt. Es erfolgte eine totale Resektion des Schleimbeutels sowie eine begleitende Antibiotika-Therapie, da sich mikrobiologisch ein Staphylococcus mit multiplen Resistenzen gezeigt hatte. Am 10. Juli 2008 wurde die Versicherte wegen einer fluktuierenden Schwellung erneut stationär aufgenommen und bis zum 15. Juli 2008 behandelt. Durchgeführt wurden ein Debridement, tägliche Verbandswechsel sowie eine erneute Antibiose.
Entsprechend der Rechnung der Klägerin zahlte die Beklagte für den ersten Aufenthalt der Versicherten am 21. Juli 2009 eine Vergütung von EUR 6.234,69. Für ihren zweiten Aufenthalt forderte die Klägerin mit Rechnung vom 22. Juli 2008 eine weitere Vergütung in Höhe von EUR 1.594,80. Mit Schreiben vom 27. August 2008 teilte sie der Beklagten mit, die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung seien nicht gegeben, da das Krankenhaus die Komplikation nicht verschuldet habe. Die Beklagte zahlte auch diesen Betrag zunächst, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. (MDK) mit der Prüfung, ob eine Fallzusammenführung vorzunehmen sei. Der MDK zeigte seine Beauftragung der Klägerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 an und führte in seinem Gutachten vom 13. November 2009 aus, dass es sich um einen komplikativen Verlauf gehandelt habe, wobei die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer derartigen Entzündung nach stattgehabter bakterieller Bursitis als relativ groß zu bezeichnen sei. Ob eine solche Komplikation in den Verantwortungsbereich der Klinik falle, sei eine leistungsrechtliche Entscheidung.
Die Beklagte verrechnete die gezahlte Vergütung daraufhin am 19. Januar 2010 mit einer anderen unstreitigen Vergütungsforderung. Sie vertrat dazu die Auffassung, dass eine Fallzusammenführung vorzunehmen sei, da es sich um eine Wiederaufnahme wegen einer in den Verantwortungsbereich der Klägerin fallenden Komplikation gehandelt habe.
Mit ihrer am 15. Juni 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin eine Vergütung in Höhe von EUR 1.591,20 geltend gemacht und vorgetragen, die Komplikation sei nicht von dem Krankenhaus zu vertreten, denn sie sei erst nach der Entlassung der Versicherten aufgetreten und für das Krankenhaus weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen. Schicksalhafte Komplikationen könnten eine Fallzusammenführung nicht begründen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. März 2012 abgewiesen und ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung seien erfüllt. Der Begriff des Verantwortungsbereichs erfasse gerade auch schicksalhafte Verläufe und sei nur gegenüber Fällen abzugrenzen, in denen das Verhalten des Patienten oder eines Dritten ursächlich für die Komplikation sei.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 2. April 2012 zugestellte Urteil am 24. April 2012 Berufung eingelegt und bleibt unter Bezugnahme auf verschiedene Urteile von Sozial- bzw. Landessozialgerichten bei ihrer Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nicht vorgelegen hätten. Die Wiederaufnahme der Versicherten habe nicht auf einer Komplikation beruht, die in den Verantwortungsbereich der Klägerin falle. An einer Verantwortung in diesem Sinne fehle es nämlich, wenn die Komplikation ein nicht vom Krankenhaus zu vertretender Umstand sei. So sei es hier, denn bei der postoperativen Infektion der Vers...