Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Krankenhausvergütung. Fallzusammenführung bei Komplikation. Fallpauschale. Verantwortungsbereich des Krankenhauses. Verschulden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine die Fallzusammenführung nach § 2 Abs 3 S 1 FPV 2008 (juris: KFPVbg 2008) rechtfertigende "in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallende Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung" erfordert kein schuldhaftes Verhalten des Krankenhauses. Vielmehr genügt eine Ursache-Folge-Verknüpfung zwischen der vom Krankenhaus durchgeführten Leistung und dem Eintritt einer zur Wiederaufnahme des Patienten führenden unerwünschten Folge ("Komplikation") der Behandlung.

2. An dem erforderlichen Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung des Krankenhauses fehlt es, wenn maßgeblich für die Komplikation ein nicht vom Krankenhaus gesetzter weiterer Umstand ist, etwa ein unvernünftiges Verhalten des Patienten oder ein fehlerhaftes Behandlungsverhalten des nach der ersten Krankenhausentlassung ambulant weiterbehandelnden Arztes.

 

Normenkette

KHEntgG § 8 Abs. 5, § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 9; FPV 2008 § 2 Abs. 3; SGB V § 109 Abs. 4 S. 3

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.07.2012; Aktenzeichen B 3 KR 15/11 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 09.11.2010 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Zahlung weiterer Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 423,13 € nebst Zinsen.

In dem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin wurde die bei der Beklagten krankenversicherte M R vom 01.07.2008 bis 08.07.2008 sowie erneut vom 11.07.2008 bis 14.07.2008 stationär behandelt. Für die Erstbehandlung mit der Hauptdiagnose D 25.9 (Leiomyom des Uterus, nicht näher bezeichnet) machte die Klägerin ausgehend von der DRG N 21 Z (Hysterektomie außer bei bösartiger Neubildung, ohne äußerst schwere oder schwere CC, ohne komplexen Eingriff) mit Rechnung vom 17.07.2008 insgesamt 3.436,19 € geltend, für die Zweitbehandlung mit der Hauptdiagnose T 81.0 (Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert) forderte die Klägerin ausgehend von der DRG X 62 Z (Vergiftungen/toxische Wirkungen von Drogen, Medikamenten und anderen Substanzen oder Folgen einer medizinischen Behandlung) einen Betrag von 1.557,75 € (Rechnung vom 23.07.2008). Beide Rechnungen beglich die Beklagte zunächst, machte gestützt auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) - Dr L vom 03.09.2008 und 15.09.2008, Dr L / Dr H -V vom 01.10.2008 - in der Folge jedoch geltend, nach der Regelung in § 2 Abs 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2008 (FPV 2008) müsse eine Fallzusammenführung erfolgen. Ausgehend von der für den zusammengeführten Fall anwendbaren DRG N 21 Z mit einem DRG-Preis von 4.485,38 € ergebe sich eine Differenz in Höhe von 423,13 € zu Gunsten der Kasse. Trotz des Widerspruches der Klägerin gegen die Fallzusammenführung verrechnete die Beklagte den geltend gemachten Erstattungsbetrag am 19.06.2009 mit einer anderen Forderung der Klägerin.

Am 04.08.2009 hat die Klägerin daraufhin Zahlungsklage in Höhe von 423,13 € zum Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben. Sie hat geltend gemacht, eine Fallzusammenführung sei nicht gerechtfertigt. In Betracht käme lediglich nach § 2 Abs 3 FPV 2008 eine Fallzusammenführung wegen einer "in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation". Vorliegend sei bei der betroffenen Versicherten der Beklagten anlässlich der Abschlussuntersuchung des ersten Aufenthaltes eine zeitgerechte Wundsekretion bei abheilendem Scheidengrund ohne Anhalt für Hämatom oder Infektion und unauffälligem sonographischen Befund festgestellt worden. Am 11.07.2008 habe die Versicherte dann notfallmäßig mit Unterbauchschmerzen und vaginaler blutiger Sekretion stationär aufgenommen werden müssen, wobei sonographisch ein Scheidenstumpfhämatom bestanden habe. Da bei der Entlassung nach dem ersten Aufenthalt kein Anhalt auf ein Hämatom bestanden habe, habe sich das Hämatom folglich erst später entwickelt, was nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses falle. Im Unterschied zur FPV 2007 sei bei der FPV 2008 in § 2 Abs 3 S 1 zur Rechtfertigung einer Fallzusammenführung wegen einer Komplikation ausdrücklich die Ergänzung "in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden" erfolgt, womit klargestellt worden sei, dass lediglich eine unerwünschte behandlungsbedingte Komplikation zB in Form einer nicht lege artis erfolgten Behandlung erfasst werde. Die Beklagte hat eingewandt, der Geltungsbereich der streitigen Regelung sei weiter zu fassen. Nur wenn die Komplikation auf mangelnde Compliance des Patienten oder auf eine zwischenzeitlich bei einem anderen Arzt erfolgte Behandlung zurückzuführen sei, sei keine Fallzusammenführung vorzunehmen. Alle anderen Fälle, in denen sich...

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