Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Erhöhung von 60 auf 70. Rechtsschutzinteresse

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB nach § 69 Abs 1 S 1 SGB 9 setzt das Vorliegen eines entsprechenden Rechtsschutzbedürfnisses voraus.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.2008; Aktenzeichen B 9/9a SB 8/06 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. September 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Neufeststellungsverfahren über die Bewertung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers.

Der im Jahr 1946 geborene Kläger bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente. Direkte Steuern hat er nicht abzuführen. Im Jahr 1996 hatte die Beklagte erstmals gegenüber dem Kläger einen Feststellungsbescheid nach dem Schwerbehindertengesetz erlassen. In der Folge war es zu Neufeststellungsbescheiden gekommen. Mit Bescheid vom 17. Februar 2004 hatte die Beklagte für den Kläger einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt und ihm das Merkzeichen “G„ zuerkannt. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

Im Juli 2004 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag und bat um Erhöhung des GdB. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2004 ab: Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) seien nicht erfüllt. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers sei seit der letzten maßgeblichen Feststellung nicht eingetreten.

Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Bescheid vom 25. Oktober 2004 zurückgewiesen wurde. In der Begründung führte die Beklagte aus, die rechtliche und medizinische Prüfung nach den §§ 2 und 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) habe ergeben, dass die festgestellte Behinderung des Klägers mit einem GdB von 60 - weiterhin - angemessen beurteilt sei.

Am 28. Oktober 2004 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. September 2005 abgewiesen und auf die Gründe der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 3. November 2005 zugestellt worden. Am 7. November 2005 hat er Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte hätte richtigerweise zu einem Gesamt-GdB von 70 kommen müssen. Aufgefordert, zum Rechtsschutzbedürfnis Stellung zu nehmen, hat der Kläger persönlich ausgeführt, es sei nicht Aufgabe des Gerichts, ihm die Frage zu stellen, welche Vorteile er durch die Anerkennung eines höheren GdB habe. Dies zu bewerten sei allein seine Privatangelegenheit. Sein Bevollmächtigter hat vorgetragen, es genüge, dass eine Heraufsetzung des GdB in der Zukunft einen Nutzen bringen könne; bei weiteren Veränderungen des Gesundheitszustandes könne eine bereits vorgenommene Heraufsetzung des GdB von Vorteil sein.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 27. September 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Februar 2004, soweit dieser entgegensteht, seinen Grad der Behinderung auf 70 festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Die den Kläger betreffenden Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat seine Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es fehlt ihr nämlich am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

Jede Rechtsverfolgung setzt ein Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) voraus. Es ist nur gegeben, wenn der Rechtsschutz Suchende mit dem von ihm betriebenen gerichtlichen Verfahren ein legitimes Interesse verfolgt, wenn er einen angestrebten Erfolg nicht auf einfachere, schnellere oder billige Art und Weise erreichen kann und wenn er nicht rechtsmissbräuchlich handelt. Das setzt regelmäßig voraus, dass dem Betroffenen im Falle des Prozesserfolges ein beachtlicher Vorteil gegenüber seiner bereits innegehabten Rechtsposition erwächst oder dass er eine bedrohte Rechtsposition verteidigen kann (dazu allgemein Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2003, § 22 Rn. 56). Daran fehlt es im Falle des Klägers. Die Beklagte hat ihm gegenüber zuletzt mit Bescheid vom 17. Februar 2004 nach Schwerbehindertenrecht einen GdB von 60 anerkannt und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das...

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