Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einer Pflegekraft
Orientierungssatz
1. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 4 eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
2. Die regelmäßige Erbringung von Pflegeleistungen für einen anderen Vertragspartner als den Patienten ist grundsätzlich nur als Arbeitsverhältnis aufzufassen, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu, welche die Abhängigkeit der Pflegekraft im Einzelfall aufheben.
3. Unterwirft sich die Pflegekraft mit der Annahme ihres Einsatzes den Bestimmungen des Pflegebetriebs und sind die zu erledigenden Arbeiten durch die jeweilige Pflegeeinrichtung ebenso detailliert vorgegeben wie der Arbeitsort und die Arbeitszeit, so liegt eine abhängige Beschäftigung vor.
4. Wenn die Pflegekraft im Einzelfall frei ist, Arbeitsangebote anzunehmen oder abzulehnen, ändert hieran nichts. Ebenso wenig, wenn der Pflegekraft für einen Beschäftigten untypische Risiken auferlegt werden wie fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, fehlender Urlaubsanspruch oder fehlende soziale Absicherung, vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1990 - 11 Rar 73/90.
5. Dies gilt ebenso für den Fall, dass die Pflegekraft auch für andere Auftraggeber bzw. Arbeitgeber tätig werden darf. Eine entsprechende Vertragsgestaltung stellt sich lediglich als Bemühen dar, einem dem Gesamtbild nach typischen abhängigen Beschäftigungsverhältnis den äußeren Anstrich einer selbständigen Tätigkeit zu geben.
Tenor
1. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1 werden zurückgewiesen.
2. Im Berufungsverfahren haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines anlassbezogenen Betriebsprüfungsverfahrens über die Sozialversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1.
Die Klägerin betreibt ein medizinisches Dienstleistungsunternehmen, das über eine Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verfügt.
Die 1972 geborene Beigeladene zu 1 schloss mit der Klägerin am 19.04.2004 eine mit "Dienstleistungsvertrag" überschriebene Vereinbarung folgenden Inhalts:
Das Dienstleistungsunternehmen vermittelt Pflegeaufträge auf Provisionsbasis in der stationären und ambulanten Pflege und Betreuung an selbständige Pflegekräfte (Unternehmer).
Mit Wirkung vom 19.04.2004 wird folgender Dienstleistungsvertrag im beiderseitigen Einvernehmen rechtswirksam geschlossen. Dem Mitarbeiter steht es frei, zusätzlich am Markt selbst aufzutreten. Dieser Vertrag wird zunächst für die Dauer von 6 Monaten geschlossen und verlängert sich um jeweils ein Jahr, falls er nicht fristgerecht von einer Vertragspartei gekündigt wird.
1. Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit gilt in Vollzeit für 152,0 Stunden im Monatsdurchschnitt als vereinbart. Dies entspricht einer durchschnittlich wöchentlichen Arbeitszeit von 35,0 Stunden. Die individuelle regelmäßige Arbeitsanforderung pro Monat richtet sich nach der Anzahl der Arbeitstage. Im Monat mit: 20 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 140,0 Stunden 21 Arbeitstagen 147,0 Stunden 22 Arbeitstagen 154,0 Stunden 23 Arbeitstagen 161,0 Stunden Dies ist als Kernarbeitszeit zu sehen, und immer garantiefrei in Abhängigkeit der jeweils aktuellen wirtschaftlichen Auftragslage zu betrachten.
2. Es wird ein Verrechnungspreis für geleistete Std. (Mo.-Fr.) 15,00 Euro netto Std. (Samstag) 16,00 Euro netto Std. (Sonntag) 16,00 Euro netto Std. (Feiertag) 19,50 Euro netto Std. (Nachtarbeit) 16,00 Euro netto vereinbart. Der Unternehmer stellt auf der Grundlage von Tätigkeitsnachweisen des Dienstleistungsunternehmens Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer bis spätestens zum 3. Werktag des Folgemonats. Das Dienstleistungsunternehmen verpflichtet sich, bis spätestens zum 5. Werktag 50% des in Rechnung gestellten Betrages, den Restbetrag bis zum 20. Kalendertag auf das vom Unternehmer angegebene Konto zu überweisen.
3. Der Unternehmer ist zur unternehmerischen Sorgfalt hinsichtlich seiner Steuerangelegenheiten, Krankenversicherung und Altersvorsorge angehalten und selbst verantwortlich.
4. Dieser Vertrag gilt für mindestens 6 Monate als geschlossen. Eine Kündigungsfrist ist innerhalb von 4 Wochen zum Monatsende möglich.
Das Dienstleistungsunternehmen kann den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufkündigen, falls der Vertragspartner seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt bzw. die berufliche Qualifikation als unzureichend einzuschätzen ist.
5. Sollte der Unternehmer während der Vertragsdauer bzw. für die Dauer von 6 Monaten nach Vertragsbeendigung mit einem vom Dienstleistungsunternehmen vermittelten Auftraggeber eine direkte Honorarvereinbarung abschließen, gilt ein Schadensersatzanspruch auf 25 % der so erzielten Honorare als vereinbart.
Sollte der Unternehmer aus Gründen...