Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch der weiblichen Versicherten mit Haarausfall auf Versorgung mit einer Echthaarperücke durch die Krankenkasse - Bewilligung des Vertragspreises
Orientierungssatz
1. Bei der Versorgung des Versicherten mit Hilfsmitteln verpflichtet § 33 Abs. 1 S. 1 SGB 5 die Krankenkasse nicht dazu, dem Versicherten jede gewünschte, von ihm für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen.
2. Ziel der Hilfsmittelversorgung ist die Sicherung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (BSG Urteil vom 23. 7. 2002, B 3 KR 66/01 R). Durch die Bewilligung des Vertragspreises zur Beschaffung einer Echthaarperücke für eine Versicherte mit Haarausfall erfüllt die Krankenkasse den der Versicherten zustehenden Sachleistungsanspruch (BSG, Urteil vom 24. 01.2013, B 3 KR 5/12 R).
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für die Beschaffung einer Echthaarperücke über den Vertragspreis hinaus zu erstatten.
Der 1940 geborenen, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Klägerin wurde wegen einer Alopecia androgenetica (erblich bedingter Haarausfall an der Kopfhaut, ausgelöst durch männliche Sexualhormone im Blut) am 28. Januar 2019 durch den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. D. ein medizinischer Echthaarersatz zur Dauerversorgung wegen Verschleißes des derzeit getragenen Hilfsmittels verordnet. Der Leistungserbringer (LE), die E. GmbH, übersandte der Beklagten daraufhin unter dem 31. Januar 2019 einen Kostenvoranschlag für eine Echthaarperücke (Mono, vollhandgeknüpft) in Höhe von 1375,00 Euro brutto abzüglich 10,00 Euro gesetzlicher Zuzahlung.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2019 erklärte sich die Beklagte bereit, die Kosten in Höhe von 934,15 Euro zu übernehmen. Die Klägerin sei bis zum 31. Dezember 2019 von der gesetzlichen Zuzahlung befreit. Für den Fall, dass sie sich für eine höherwertige Versorgung entschieden habe, zahle sie die Mehrkosten und die Folgekosten für Reparatur- und Wartungsleistungen selber und erhalte hierüber eine Privatrechnung des LE.
Hiergegen legte die Klägerin am 27. Februar 2019 Widerspruch ein. Sie habe einen Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Echthaarersatz, und ein die Kosten nicht deckender Zuschuss sei evident rechtswidrig. In vergleichbaren Fällen seien von Gerichten 1.500,00 Euro zugesprochen worden.
Nach Versorgung der Klägerin stellte der LE ihr am 27. Februar 2019 einen Betrag von 850,85 Euro in Rechnung, den die Klägerin beglich. Aus der Rechnung sowie der Dokumentation über Mehrkosten geht ein Preis von 1785,00 Euro hervor, von dem der LE den von der Beklagten gewährten Festbetrag in Höhe von 934,15 Euro in Abzug gebracht hatte. In der Dokumentation wurde des Weiteren durch Ankreuzen u.a. einerseits angegeben, dass es in Höhe des Zuschusses keine ausreichende und zweckmäßige Versorgungsmöglichkeit gegeben habe, und andererseits, dass Versorgungsmöglichkeiten zu Vertragspreisen/Zuschüssen besprochen und angeboten worden seien.
Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 2019 der Klägerin mitgeteilt hatte, dass Mehrkosten für eine besondere Haarqualität, -farbe oder -länge das Maß des Notwendigen überstiegen, und unter Benennung von Vertragspartnern, die eine eigenanteilsfreie Versorgung sicherstellen könnten, darauf hingewiesen hatte, dass alle Vertragspartner verpflichtet seien, ihre Kunden eigenanteilsfrei nach ihren medizinischen Anforderungen zu versorgen, und der vereinbarte Vertragspreis daher auch Sonderversorgungen, die zum Beispiel aufgrund besonderer Kopfformen oder Allergien notwendig seien, beinhalte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2020 zurück. Sie führte ergänzend aus, dass die Ersatzkassen gemäß §§ 126, 127 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) mit dem Bundesverband für Zweithaareinzelhändler und zertifizierter Zweithaarpraxen e.V. (BVZ) zur Sicherstellung der Haaransatzversorgung Verträge geschlossen und darin vertragliche Maximalpreise bzw. Pauschalen vereinbart hätten. Die Vertragspartner des BVZ seien verpflichtet, jede Versicherte eigenanteilsfrei nach ihren medizinischen Anforderungen zweckmäßig und wirtschaftlich zu versorgen. Die Lieferung von Haaransatz umfasse unterschiedliche Qualitäten sowie das Einschneiden, Frisieren, Präparieren sowie die Beratung über Pflege und Handhabung. Weiter sei vertraglich geregelt, dass die Erhebung eines Eigenanteils bzw. einer Aufzahlung gegenüber den Versicherten für die Versorgung mit Hilfsmitteln durch den Vertragspartner mit Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Zuzahlung unzulässig sei. Für den Fall, dass der Versicherte - trotz ausführlichen Hinweises und Beratung durch den LE - eine höherwertige Versorgung als medizinisch notwendig und vertraglich vereinbart wünsche, habe der LE den Versicherten zu informieren, ...