Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Zulassungsentziehung. gerichtliche Überprüfung. individuelle Betrachtung über Eignung bzw Nichteignung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. vertragsärztliche Tätigkeit. Schwergewicht der beruflichen Tätigkeit. Beschäftigung als Krankenhausarzt. Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs 1 und 2 Ärzte-ZV
Orientierungssatz
1. Bei einer Zulassungsentziehung nach § 95 Abs 6 SGB 5 handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, sodass das Gericht umfassend zu prüfen hat, ob die Entscheidung des Berufungsausschusses dem materiellen Recht entspricht.
2. § 20 Abs 1 Ärzte-ZV erfordert, wegen der geforderten Kausalität zwischen dem Beschäftigungsverhältnis und der Folge, dass der Arzt für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht, eine individuelle Betrachtung. Daher ist das bloße Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses in der Person eines zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arztes nicht gleichbedeutend mit seiner Nichteignung.
3. Die vertragsärztliche Tätigkeit muss das Schwergewicht der beruflichen Tätigkeit des Vertragsarztes bilden, ihr das Gepräge geben. Ein solches Gepräge ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in ihrem zeitlichen Umfang die Arbeitszeit eines Anstellungsverhältnisses des Arztes nicht überschreitet.
4. Die Tätigkeit als Krankenhausarzt lässt die Eignung für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in der Regel entfallen, wenn der auch als Krankenhausarzt tätige Vertragsarzt in die stationäre Patientenversorgung unmittelbar eingebunden ist und seine vertragsärztliche Tätigkeit im Einzugsbereich des Krankenhauses - wie dies innerhalb des Kernbereichs von Großstädten typischerweise der Fall ist - ausübt (vgl BSG vom 25.11.1998 - B 6 KA 18/98 B).
5. Die Vorschrift des § 20 Abs 1, 2 Ärzte-ZV ist mit dem Verfassungsrecht, insbesondere Art 12 GG, vereinbar.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 17. Januar 1996 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Berufungsverfahren.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Beklagte dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Arzt für Anästhesiologie mit Wirkung von der Zustellung des Beschlusses vom 21. März 1994 entziehen durfte.
Der 1942 geborene deutsche Kläger wurde 1982 approbiert und erlangte 1983 seine Facharztanerkennung als Anästhesist. Nach dem zwischen ihm und der Freien und Hansestadt H geschlossenen Arbeitsvertrag vom 28. November 1986 war er ab 5. Dezember 1986 als vollbeschäftigter Arzt in der Anästhesieabteilung des Allgemeinen Krankenhauses (AK) E tätig. In der Zeit vom 1. Februar 1993 bis zum 31. Januar 1994 war er von seinen Diensten beim AK E ohne Fortzahlung der Bezüge beurlaubt (Bescheinigungen des AK E vom 17. und 28. Juni 1993).
Auf seinen Antrag ließ der Zulassungsausschuss für Ärzte -- Hamburg -- den Kläger mit Beschluss vom 15. Februar 1993 mit dem Vertragsarztsitz in M (Ortsteil 20/510) als Vertragsarzt (Arzt für Anästhesiologie) unter der Bedingung zu, dass er die Tätigkeit als angestellter Arzt im AK E spätestens mit Aufnahme seiner vertragsärztlichen Tätigkeit, die bis zum 1. Oktober 1993 zu erfolgen habe, aufgebe und dies durch eine entsprechende Bescheinigung des AK E bestätige. In seinem Beschluss ging der Zulassungsausschuss davon aus, dass der Kläger am Vertragsarztsitz seine Sprechstunden entsprechend dem Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung und den Gegebenheiten seines Praxisbereichs festsetzen, seine Sprechstunden auf einem Praxisschild bekannt geben, am Vertragsarztsitz seine Sprechstunde halten und dort für die ärztliche Versorgung der Versicherten zur Verfügung stehen werde. Der Beschluss vom 15. Februar 1993 wurde bindend. Der Kläger nahm die vertragsärztliche Tätigkeit als niedergelassener Anästhesist um die Jahresmitte 1993 auf.
Nach einer zum Arbeitsvertrag vom 28. November 1986 am 31. Januar 1994 getroffenen Nebenabrede wurde der Kläger im AK E ab 1. Februar 1994 -- für die Dauer der Erkrankung einer Ärztin -- mit 3/4 der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Angestellten weiterbeschäftigt. Er teilte dies dem Zulassungsausschuss am 16. Februar 1994 mit und merkte ergänzend an, dass er als Vertragsarzt nur an zwei Tagen pro Woche ausgelastet sei. Mit der Gesundung der Kollegin sei im Spätsommer 1994 zu rechnen.
Nachdem es deswegen am 14. März 1994 zu einem Gespräch des Klägers mit dem Schriftführer des Zulassungsausschusses gekommen war und der Kläger letzterem am 17. März 1994 fernmündlich mitgeteilt hatte, seine Zulassung nicht freiwillig zurückzugeben, beschloss der Zulassungsausschuss am 21. März 1994, ihm die Zulassung von Amts wegen mit...