Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherungspflicht. diplomierte und in Fachkreisen anerkannte Künstlerin. selbstständige Tätigkeit als Tattookünstlerin und Illustratorin im Bereich Bildende Kunst und Design
Orientierungssatz
Zur Künstlersozialversicherungspflicht einer diplomierten und in Fachkreisen bereits anerkannten Künstlerin, die eine selbstständige Tätigkeit im Bereich Bildende Kunst und Design ausübt und lediglich einen Wirkbereich ihrer Kunst mittels handwerklicher Tätigkeit (Tätowieren) auf und in der Haut verewigt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit als Tattookünstlerin und Illustratorin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Die 1987 in R1 geborene und seit 2015 in Deutschland lebende Klägerin schloss 2010 ein Studium an der Technischen Universität M1 als Designerin (graphisches Design, Fernseh- und Filmdesign) mit dem Diplom ab. Im Zeitraum von Mai 2009 bis November 2016 ging sie Beschäftigungen vor allem im Bereich Illustration/Animation bei verschiedenen Arbeitgebern zunächst in R1, später in Deutschland nach und war im selben Bereich zeitweise auch als Freelancerin tätig. Daneben stellte die Klägerin individuelle kleine Puppen her, die sie auf Märkten und über das Internet veräußerte, was sie in kleinerem Umfang bis heute tut. Seit 2017 ist die Klägerin auch und überwiegend als Tätowiererin tätig, zum Teil reisend, vor allem aber angedockt an Tattoo-Studios, zunächst in B. und seit Juni 2019 im K.-Studio H., dies jeweils im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Darüber hinaus fertigt die Klägerin Logo-Designs, Illustrationen und Animationen für die Werbung. Sie tritt auch unter den Namen D. sowie unter dem Pseudonym „R.“ auf.
Die Klägerin nahm seit 2005 an verschiedenen Design-, Puppen- und Kunstausstellungen teil, seit 2017 darüber hinaus an mehreren Tattoo-Festivals bzw. -Conventions, gewann hierbei auch Preise (u.a. 1. Preis bei der 23. L., „Best Character“ bei der „M.“, M1, 2014). In dem von ihr mitbetriebenen Studio „C1“ stellte sie in der Zeit vom 31. Juli bis zum 31. August 2021 verschiedene ihrer Arbeiten in Präsenz aus (Videos hierzu sind - ebenso wie solche, die von der Klägerin erstellte Tätowierungen zeigen - auf dem Videoportal T. zu sehen ≪≫). Über den Internetauftritt des Studios (, abgerufen am 6. Dezember 2022) bietet u.a. die Klägerin Werke von sich zum Kauf und - unter Darstellung mehrerer Arbeiten - Tätowierungen als Dienstleistung an. Entsprechend ist der Inhalt des Internetauftritts unter dem Pseudonym der Klägerin (, abgerufen am 1. Dezember 2022), und auf dem Portal „P.“ für verschiedene Künstler (am 1. Dezember 2022) findet sich eine Selbstdarstellung der Klägerin, in der sie die Hauptrichtung ihrer Arbeit als „dark and gloomy fantasy art“ bezeichnet. Auf der internationalen Ausstellung „V.“ und der „S.“ präsentierte die Klägerin jeweils eine Tuschezeichnung. Im Oktober 2022 nahm die Klägerin an zwei Ausstellungen in T1 teil, eine davon vermittelt über ihre ehemalige Ausbilderin an der Technischen Universität M1, die andere in einer Galerie.
Am 28. Mai 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Versicherung nach dem KSVG und gab hierbei an, im Bereich Bildende Kunst/Design (Maler/in/Zeichner/in/Illustrator/in, Bildhauer/in, Medienkünstler/in, Künstlerische/r Fotograf/in/Fotodesigner/in/Werbefotograf/in, Game-Designer/in, Tattoo-Kunst: Zeichnen von Tattoo Motifs, Tätowieren und Fotografieren) selbstständig und erwerbsmäßig tätig zu sein. Sie habe die Tätigkeit erstmalig erwerbsmäßig im Februar 2017 aufgenommen und werde hieraus im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich ein Jahresarbeitseinkommen in Höhe von 25.000 Euro erzielen. Beigefügt waren u.a. ein Lebenslauf, der Vertrag mit dem K.-Studio über die Studionutzung, ein Vertrag mit der Fa. B1 über ein Projekt zur Herstellung von Tattoos für von der vorgenannten Fa. ausgeloste Preisgewinner (wannadoo) sowie einige Rechnungen für erstellte Tattoos.
Mit Bescheid vom 3. Juli 2020 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliege. Die Tätigkeit der Klägerin könne nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne dieses Gesetzes angesehen werden, weil der Schwerpunkt der Tätigkeit nach eigenen Angaben im Bereich der Tätigkeit als Tätowiererin liege. Tätowierer seien nur dann bildende Künstler im Sinne von § 2 KSVG, wenn sie mit ihren Arbeiten Aufmerksamkeit und Anerkennung über den eigenen Kundenkreis und über die Szene der Tätowierer hinaus erzielten. Fehle es an objektiven Hinweisen auf eine Anerkennung und gleichwertige Behandlung gerade in den maßgebenden Kreisen der bildenden Künstler (z. B. Erwähnung in Kunst-Fachmagazinen, Präsentationen auf Kunstaus...