Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Begrenzung des Bemessungszeitraums. fiktives Arbeitsentgelt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richtet sich gem. § 152 SGB III nach einer fiktiven Bemessung, wenn innerhalb des nach § 150 Abs. 3 auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens vor Beginn der Arbeitslosigkeit, kein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festgestellt werden kann.

2. Die Begrenzung des Bemessungsrahmens und das Zugrundelegen eines fiktiven Arbeitsentgelts, sowie die konkrete Ausgestaltung der fiktiven Bemessung durch § 152 Abs. 2 SGB III ist weder verfassungs- noch europarechtlich bedenklich.

3. Es besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art. 6 Abs. 1 GG, bei Eltern, die sich nach längeren freiwilligen Unterbrechungen ihres Berufslebens dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen, den Lohnersatz durch das Arbeitslosengeld nicht nach dem aktuell voraussichtlich erzielbaren Lohn zu messen, sondern anhand des vor der Kindererziehung erzielten Arbeitsentgelts. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

 

Normenkette

SGB III §§ 152, 150 Abs. 3, § 137 Abs. 1, §§ 142, 131 Abs. 1, § 130 Abs. 1, § 132; GG Art. 6, 3

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die am xxxxx 1980 geborene Klägerin wendet sich gegen die fiktive Bemessung des ihr bewilligten Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Die Klägerin beantragte am 10.November 2017 mit Wirkung zum 1. Januar 2018 Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Zuvor war sie vom 15. Februar 2012 bis zum 31. Dezember 2017 bei der P. als Bezirksleiterin beschäftigt mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt im Oktober 2017 in Höhe von 4.233,33 EUR. Für die Monate November und Dezember 2017 wurde der Klägerin monatlich ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 6.350,00 EUR gezahlt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde betriebsbedingt zum 31. Dezember 2017 gekündigt. Die Klägerin bezog vom 1. September 2015 bis zum 8. Dezember 2015 Mutterschaftsgeld und befand sich vom 9. Dezember 2015 bis zum 11. Oktober 2017 in Elternzeit.

Die Beklagte teilte der Klägerin im Schreiben vom 11. Januar 2018 mit, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes fiktiv zu ermitteln sei, weil in den letzten zwei Jahren vor Entstehung des Anspruchs keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorliegen würden. Die Klägerin sei in die Qualifikationsgruppe 1 einzuordnen, nach der sich die Höhe des Arbeitslosengeldes richte.

Mit Bescheid vom 11. Januar 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld für 360 Tage für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis 30. Dezember 2018 in Höhe von täglich 41,45 EUR (1.243,50 EUR monatlich). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte im Wesentlichen aus, es lägen exakt 150 Tage mit Arbeitsentgelt vor. Im Zeitraum vom 11. Oktober bis 31. Dezember 2015 sei der Klägerin Arbeitsentgelt gezahlt worden, mithin für 51 Tage. In der Zeit vom 1. September 2015 bis 8. Dezember 2015 habe die Klägerin Mutterschaftsgeld erhalten, also für 99 Tage, sodass insgesamt 150 Tage Entgelt zu berücksichtigen seien und eine fiktive Bemessung nicht in Betracht komme. In der Zeit des Mutterschaftsgeldbezuges habe der Arbeitgeber einen Zuschuss geleistet, so dass in dieser Zeit Arbeitsentgelt geflossen sei. Zudem aber habe sich die Klägerin in Elternzeit befunden, so dass diese Zeit den in § 150 Abs. 2 SGB III genannten Zeiten gleichzustellen sei. § 150 SGB III sei verfassungskonform auszulegen und an Art. 2 und 3 Grundgesetz (GG) zu messen. Das Bundesverfassungsgericht habe die Verfassungskonformität des § 150 SGB III noch nicht geprüft, weil eine hierauf gerichtete Beschwerde nicht angenommen worden sei. Durch § 150 SGB III werde der arbeitsförderungsrechtliche Marktwert von Frauen nach der Geburt und Kindererziehung erheblich geschwächt. Hierdurch entstehe eine Ungleichbehandlung, z.B. gegenüber rentennahen Arbeitnehmern, deren „Marktwert“ kein Grund sei, ihr Arbeitslosengeld entsprechend anders zu berechnen. Auch fristlos gekündigte Arbeitnehmer oder sogenannte low performer würden Arbeitslosengeld in der Höhe erhalten, die nach dem Entgelt ihrer vorherigen Tätigkeit berechnet würde. Eine fiktive Berechnung werde nicht angestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf ihre Ausführungen im Begleitschreiben zur Leistungsbewilligung vom 11. Januar 2018. Zudem ergänzte sie, dass der Betrachtungszeitraum hier der Bemessungszeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2017 sei. In diese Zeit seien Zeiten aus 2015 nicht mit einzubeziehen. Es seien keine 150 Tage mit Arbeitsentgelt in dem Betrachtungszeitraum zu ermitteln. Hinzu komme, dass die Klägerin in der Zeit vom 12. Oktober 2017 bis 31. Dezember 2017 unwiderruflich fre...

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