Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Vergütung von Leistungen bei vertragslosem Zustand. kein Wertersatz über zivilrechtliches Bereicherungsrecht. Grundsatz der aufgedrängten Bereicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Liegt ein vertragsloser Zustand vor, können Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht so vergütet werden, als ob ein Vertragsverhältnis zwischen Pflegedienst und Krankenkasse bestünde.
2. Einem Anspruch auf Wertersatz für vertragslos erbrachte Leistungen über das zivilrechtliche Bereicherungsrecht steht der Grundsatz der aufgedrängten Bereicherung entgegen, wenn ein Interesse der Krankenkasse an den vom Pflegedienst erbrachten Leistungen nicht bestand.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 31. Mai 2006 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist, ob die Beklagte der Klägerin Zahlungen für die von dieser in der Zeit vom 11. September 2001 bis zum 26. August 2002 erbrachten ärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege (§ 37 Sozialgesetzbuch - SGB V) zu leisten hat.
Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Sie erbrachte bereits gegenüber Versicherten der Rechtsvorgängerin der Beklagten (BKK Stadt Hamburg) seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit im Jahr 1997 Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Für deren Vergütung fand die “Rahmenvereinbarung über die Durchführung häuslicher Pflege- und Versorgungsleistungen - § 132 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V„ vom 1. August 1994 Anwendung.
Dieser Vertrag war von dem die Beklagte damals vertretenden BKK-Landesverband NORD mit Schreiben vom 25. Juni 1998 zum 31. Dezember 1998 gekündigt worden. Der BKK-Landesverband NORD erklärte jedoch mit Schreiben vom 18. Dezember 1998 und vom 12. April 2000, die Betriebskrankenkassen - also auch die Beklagte - ließen den gekündigten Vertrag ab 1. Januar 1999 und mit Modifikationen ab 12. April 2000 “bis zum Abschluss der Verhandlungen eines neuen Vertrages„ weiter gegen sich gelten. Die Beklagte vergütete auch weiterhin auf dieser Grundlage durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Nachdem die Beklagte dem BKK-Landesverband NORD am 26. Oktober 2000 das Verhandlungsmandat entzogen hatte, übermittelte sie mit Schreiben vom 12. März 2001 der Klägerin (und anderen Pflegebetrieben; vgl. LSG Hamburg 10.11.2004 - L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472) ein schriftliches Vertragsangebot mit einer Vergütungsregelung. In diesem den Beteiligten bekannten Schreiben ist ausgeführt:
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“Sollten Sie … den Vertrag nicht unterschreiben wollen, bitten wir … um kurzfristige Information, damit wir die Versorgung des Patienten über einen Partner, der den Vertrag unterschrieben hat, sicherstellen können. |
Da wir in der Lage sind, die Versorgung aller unserer Patienten mit Partnern sicherzustellen, die dem Vertrag beigetreten sind, bitten wir um Ihr Verständnis, daß unser Vertragsangebot nicht verhandlungsfähig ist.„ |
Die Klägerin nahm dieses Vertragsangebot - zunächst - nicht an. Eine Besprechung am 3. April 2001 von Vertretern der Beklagten und der Hamburgische Pflegegesellschaft e. V. (HPG), die auch die Klägerin in den Verhandlungen vertrat, endete damit, dass die Beklagte die Verhandlungen vorerst für gescheitert erklärte. Mit dem den Beteiligten bekannten Schreiben vom 5. April 2001 unterrichtete sie die Klägerin (und andere Pflegebetriebe; vgl. LSG Hamburg 10.11.2004 - L 1 KR 43/04, Breithaupt 2005, 472) davon, dass die Verhandlungen ohne Ergebnis abgeschlossen worden seien. Damit ende die zwischen der HPG und dem BKK-Landesverband NORD abgeschlossene Übergangsregelung vom 12. April 2000 mit der Folge, dass Versicherte der Beklagten vom 4. April 2001 an nicht mehr zu Lasten der Beklagten betreut werden könnten.
Gleichwohl vergütete die Beklagte weiterhin die von der Klägerin erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Dies hatte seinen Grund darin, dass die Klägerin bis zum Jahr 2000 Mitglied im Zentralverband Hamburger Pflegedienste e. V. (ZHP) gewesen und dann zum Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. gewechselt, dies aber der Beklagten zunächst nicht bekannt geworden war. Infolge dessen vergütete sie bis zum 10. September 2001 durch die Klägerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege aufgrund eines zwischen ihr und dem ZHP geschlossenen Vergleichs. Für die Zeit ab 11. September 2001 stellte die Beklagte nach Kenntniserlangung die Vergütungen für die von der Klägerin erbrachten Leistungen ein.
Dies teilte sie der Klägerin in der Form mit, dass sie dieser in den einzelnen Leistungsfällen schriftlich anzeigte, es würden keine Kosten übernommen, da ein Versorgungsvertrag nicht abgeschlossen sei. Hierzu verwies die Beklagte auf ihre Schreiben an die Klägerin im Leistungsfall des Versicherten O., dem die Klägerin ab 27. Dezember 2001 Pflegeleistungen erbrachte.
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