Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragung einer Heimunterbringung durch Träger der gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung oder der Sozialhilfe
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Hamburg vom 24.4.2014 - L 1 KR 24/12, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 37 Abs. 2 Sätze 1, 3-4, 6-7, Abs. 3, 6 S. 1, § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 8; SGB XI §§ 43, 43a S. 1, § 71 Abs. 2, 4, § 14 Abs. 4; SGB XII § 2 Abs. 1, § 53 Abs. 3, §§ 55, 75 Abs. 3; HeimG § 1 Abs. 1 S. 2, § 2; HmbWBG § 2 Abs. 1, § 42; SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 1-2, § 108 Abs. 2; SGG § 54 Abs. 5
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selber trägt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung von Aufwendungen für häusliche Krankenpflege in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009.
Der bei der Beklagten krankenversicherte M.H. (i.F.: Versicherter) lebte in dem streitigen Zeitraum im J.-Haus (J.), dessen Träger die Beigeladene ist. Bei dem J. handelt es sich um eine stationäre Einrichtung in H., in der wohnungslosen Männern eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. Der Versicherte leidet unter anderem an HIV, Hepatitis C, substituierter Drogenabhängigkeit und Encephalitis mit Wesensveränderung. Er bezog im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld II sowie Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe 1 und erhielt seine Unterbringung im J. auf Kosten der Klägerin als Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII).
Gemäß ärztlicher Verordnung erhielt er in der Zeit vom 8. Juni 2007 bis 31. März 2009 häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung durch einen ambulanten Pflegedienst in Form von Medikamentengaben (herrichten und verabreichen). Die Gesamtaufwendungen hierfür, die zunächst von der Klägerin getragen wurden, belaufen sich auf EUR 6.920,50. Die Beklagte lehnte den von der Klägerin mit Schreiben vom 26. September 2007 und 12. August 2008 geltend gemachten Erstattungsanspruch ab.
Die Klägerin hat deshalb am 8. Januar 2010 Klage erhoben und vorgetragen, sie habe einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) vorrangig leistungsverpflichtet sei. Insbesondere handele es sich bei dem J. um einen "sonst geeigneten Ort" im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V. Die bisher aufgelaufenen Zinsen betrügen EUR 1.019,37.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 6. Februar 2012 verpflichtet, an die Klägerin EUR 6.920,50 nebst Zinsen in Höhe von EUR 1.019,37 zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 104 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die Beklagte sei vorrangig leistungspflichtig, denn der Versicherte habe gegen sie einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. SGB V gehabt. Das J. sei jedenfalls ein "sonst geeigneter Ort" im Sinne dieser Vorschrift, denn das Vorliegen eines eigenen Haushalts werde hierfür gerade nicht vorausgesetzt. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die auf die eigene wirtschaftliche Haushaltsführung abgestellt habe, sei auf die aktuelle Gesetzesfassung nicht mehr anwendbar. Nur diese Auslegung entspreche der Intention des Gesetzgebers, durch die Einfügung des "sonst geeigneten Ortes" vorschnelle stationäre Einweisungen zu verhindern. Sie stehe auch im Einklang mit den aufgrund von § 37 Abs. 6 SGB V erlassenen Richtlinien. Aus den mit dem Versicherten geschlossenen Verträgen ergebe sich, dass die Unterbringung nicht auf medizinische Pflege, sondern auf Überwindung der Obdachlosigkeit gerichtet gewesen sei. Auch die übrigen Voraussetzungen eines Anspruchs auf häusliche Krankenpflege seien erfüllt. Die Höhe des Zinsanspruchs ergebe sich aus der unbestrittenen Aufstellung der Klägerin.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. März 2012 zugestellte Urteil am 19. März 2012 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe die Änderung des § 37 Abs. 2 SGB V nicht zu einer völligen Aufgabe des "eigenen Haushalts" als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege geführt. Die im Gesetz aufgeführten Leistungsorte stellten zwar keine abschließende Aufzählung dar, ihnen sei jedoch gemeinsam, dass sich der Versicherte dort entweder nur zeitweise aufhalte oder es sich um eine ambulante Wohnform handele. Ein "sonst geeigneter Ort" könne daher nur ein Ort sein, der seinem Charakter nach mit den gesetzlich aufgeführten Wohn- und Einrichtungsformen vergleichbar sei. Gegen eine völlige Aufgabe des Erfordernisses einer "Häuslichkeit" spreche auch die in § 37 Abs. 2 S. 7 S...