Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten einer Aufbaupraxis
Orientierungssatz
1. Die Honorarbegrenzungsregelungen der §§ 87 ff. SGB 5 für Vertragsärzte müssen dem einzelnen Vertragsarzt so viel Spielraum lassen, dass der Durchschnittsumsatz der Fachgruppe innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erreicht werden kann. Hierbei sind bei dem Vertragsarzt u. a. die Vergünstigungen einer sog. Aufbaupraxis zu beachten.
2. Nur für die Aufbauphase von drei Jahren soll es einer neu gegründeten vertragsärztlichen Praxis möglich sein, den Umsatz sofort auf den Durchschnittsumsatz zu steigern (BSG Urteil vom 3. 2. 2010, B 6 KA 1/09 R). Dabei lässt die Verlegung des Praxisstandorts innerhalb desselben Planungsbereichs den Zulassungsstatus unberührt. Eine entsprechende Standortverlegung soll den Vertragsarzt nicht wieder in die Situation einer Neuzulassung versetzen.
3. Eine Abrechnungsregelung, wonach Fallzahlerhöhungen erst im Folgejahr zu einer Höherbemessung des Regelleistungsvolumens führen, stellt keine rechtswidrige Beeinträchtigung des Wachstumsanspruchs einer unterdurchschnittlich abrechnenden vertragsärztlichen Praxis dar (BSG Urteil vom 17. 7. 2013, B 6 KA 44/12 R).
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Honorars für das Quartal III/2013.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit dem 28. Januar 2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, die er nach internen Meinungsverschiedenheiten verließ, um seit dem Quartal IV/2012 in Einzelpraxis tätig zu sein.
Mit Honorarbescheid vom 19. Februar 2014 berechnete die Beklagte für das Quartal III/2013 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 42.114,73 € bei 372 Fällen. Im Bereich des Regelleistungsvolumens (RLV) wurden eine Bezugsgröße von 7.577,34 € und ein Zuschlag von 12.341,76 € zu Grunde gelegt. Angefordert hatte der Kläger eine Vergütung im RLV-Bereich von 19.108,55 €, sodass es zu einer Unterschreitung in Höhe von 810,25 € kam, die mit Überschreitungen im Bereich Qualitätsbezogene Zusatzvolumina (QZV) verrechnet wurde. Für den QZV-Bereich ergab sich Folgendes:
|
QZV |
Bezugsgröße |
angefordert |
Überschreitung |
Teilradiologie |
2.160,87 € |
8.206,83 € |
6.045,96 € |
CT-Intervention, Schmerztherapie |
7.087,52 € |
11.556,04 € |
4.468,52 € |
Die Überschreitung insgesamt betrug nach Verrechnung 9.704,23 €, wovon 558,27 € quotiert vergütet wurden, sodass der Kläger im RLV-/ QZV-Bereich insgesamt 29.723,76 € erhielt.
Mit seinem am 28. Februar 2014 eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger insbesondere gegen die Abstaffelung seiner Vergütung im QZV-Bereich. Obwohl seine angeforderte Vergütung unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liege, seien weniger als 505 hiervon festgesetzt worden. Die Beklagte habe als Basisquartal das Quartal III/2012 zu Grunde gelegt. Dies sei sein letztes Quartal in der BAG gewesen. In den Quartalen I-III/2012 habe er wegen des Verhaltens der BAG Zuweisungseinbrüche gehabt und sei ab dem 1. Oktober 2012 in einer neuen Niederlassung in Einzelpraxis tätig geworden. Wegen einer Wettbewerbsabrede habe er die neue Praxis in mindestens drei Kilometern Entfernung von der BAG eröffnen müssen. Er habe deshalb nicht seine Patienten aus der BAG behalten können. Im dritten Quartal 2012 habe er nur 228 Patienten behandelt. Er sei als Jungpraxis anzusehen, da er einen komplett neuen Patientenstamm habe aufbauen müssen. Dies sei nach § 31 des Verteilungsmaßstabs (VM) ein außergewöhnlicher Grund. Er müsse deshalb für bis zu 12 Quartale auf den Fachgruppendurchschnitt angehoben werden.
Mit Honorarberichtigungsbescheid vom 16. April 2014 wegen eines Berechnungsfehlers beim RLV-Zuschlag erhielt der Kläger weitere 1.983,33 € für das Quartal III/2013 vergütet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die quotierte Vergütung zu Recht erfolgt sei. Die Berechnung des Honorars sei in Überstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen vorgenommen worden.
Am 22. September 2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben mit dem Ziel, weitere 9.794,23 € Vergütung für das Quartal III/2013, hilfsweise einen Neubescheid zu erhalten.
Die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass es sich beim ihm um eine unterdurchschnittlich abrechnende Neuniederlassung bzw. eine Aufbaupraxis handle. Aufgrund des Wettbewerbsverbots habe er keinen Patienten von E. nach H. an den neuen Standort mitnehmen können. Er habe sich einen neuen Patientenstamm und neue Zuweiser aufbauen müssen. Wegen der Neugründung im Quartal IV/2012 habe er nur wenige Patienten gehabt. Danach habe es einen überproportionalen Fall- und Umsatzanstieg gegeben, dabei sei er aber durch das - ab dem Quartal IV/2013 die RLV-/QZV-Systematik ablösende - Individuelle Lei...