Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des vertragsärztlichen Honorars unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit - Voraussetzungen einer Aufbaupraxis
Orientierungssatz
1. Ziel der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen ist es, einen Ausgleich zwischen angemessener Vergütung und ordnungsgemäßer Versorgung der Versicherten zu schaffen. Der Ausgleich ist erst dann nicht mehr verhältnismäßig realisiert, wenn in einem Teilbereich kein ausreichender finanzieller Ausgleich besteht, vertragsärztlich tätig zu werden und dadurch in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der ärztlichen Versorgung gefährdet ist.
2. Die für eine Aufbaupraxis maßgebliche Vergütungsregelung ist ausgeschlossen, wenn eine unternehmerische Entscheidung eines bereits zugelassenen Arztes zu einer Verlegung seines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs führt. Dies gilt u. a. dann, wenn bei Austritt aller bisherigen Partner eine Berufsausübungsgemeinschaft zu einer Einzelpraxis wird. Die Sonderregelung für Aufbaupraxen gilt nur im Fall einer Neuzulassung von Vertragsärzten.
3. Der Vertragsarzt hat keinen Anspruch darauf, ohne relative Fallzahlsteigerung im Vergleich zur Fachgruppe den Honorarumsatz absolut und relativ zu steigern. Eine solche Vergütungsregelung widerspricht dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Honorars für die Quartale III/2014, IV/2014 und I/2015.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurochirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung im Bezirk der Beklagten seit dem 28. Januar 2010 zugelassen. Er war zunächst in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) tätig, die er nach internen Meinungsverschiedenheiten verließ, um seit dem Quartal IV/2012 in Einzelpraxis tätig zu sein.
Mit Honorarbescheid vom 18. Februar 2015 setzte die Beklagte für das Quartal III/2014 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 45.147,40 € bei 412 Fällen fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des Individuellen Leistungsbudgets (ILB) betrug 31.503,94 € bei einem ILB von 31.122,09 €, einer Anforderung von 35.958,84 € und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (4.836,75 €) von 381,85 €. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2015 zurückwies. Am 23. Juni 2015 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 81/15 hiergegen Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben.
Mit Honorarbescheid vom 21. Mai 2015 setzte die Beklagte für das Quartal IV/2014 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 41.003,17 € fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des ILB betrug 26.370,95 € bei einem ILB von 23.175,84 €, einer Anforderung von 35.543,72 € und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (12.367,88 €) von 3.195,11 €. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2017 zurückwies. Am 18. Januar 2018 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 18/18 hiergegen Klage beim SG Hamburg erhoben.
Mit Honorarbescheid vom 20. August 2015 setzte die Beklagte für das Quartal I/2015 ein Honorar im Bereich Ersatzkassen/Primärkassen von 29.399,02 € fest. Das Honorar des Klägers im Bereich des ILB betrug 23.241,89 € bei einem ILB von 20.942,67 €, einer Anforderung von 40.403,46 € und einer quotierten Vergütung der Überschreitung (19.460,79 €) von 2.299,22 €. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2015 zurückwies. Am 4. Januar 2016 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen S 27 KA 2/16 hiergegen Klage beim SG Hamburg erhoben.
Das SG hat die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.
Der Kläger hat in allen Verfahren - wie auch in den andere Quartale betreffenden Parallelverfahren L 5 KA 21/17 und L 5 KA 22/17 - die Auszahlung der nicht vergüteten Anteile seiner Anforderungen im Bereich ILB (III/2014: 4.454,90 €, IV/2014: 9.172,77 €, I/2015: 17.161,47 € ≪hier hat er sich um 0,10 € zu seinen Ungunsten verrechnet≫), hilfsweise die Neubescheidung beantragt und vorgetragen, sein Honorar sei zu niedrig. Die Beklagte habe außer Acht gelassen, dass es sich beim ihm um eine unterdurchschnittlich abrechnende Neuniederlassung bzw. eine Aufbaupraxis handle. Aufgrund des Wettbewerbsverbots habe er keinen Patienten von E. nach H. an den neuen Standort mitnehmen können. Er habe sich einen neuen Patientenstamm und neue Zuweiser aufbauen müssen. Wegen der Neugründung im Quartal IV/2012 habe er nur wenige Patienten gehabt. Danach habe es einen überproportionalen Fall- und Umsatzanstieg gegeben, dabei sei er aber durch das - ab dem Quartal IV/2013 die RLV-/QZV-Systematik ablösende -Individuelle Leistungsbudget (ILB) ausgebremst worden. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 1/09 R - hat er nicht nur geltend gemacht, dass ...