Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Gewährung von Erziehungsgeld für einen Unionsbürger

 

Orientierungssatz

1. Nach § 1 Abs 1 Nr. 1 BErzGG hat unter den dort genannten Voraussetzungen Anspruch auf Erziehungsgeld, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.

2. Nach § 30 Abs. 3 S. 1 SGB 1 hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten wird.

3. Nach Art. 7 Abs. 2 EWGV 1612/68 fällt das deutsche Erziehungsgeld als soziale Vergünstigung in den sachlichen Bereich des Gemeinschaftsrechts. Damit gilt das Diskriminierungsverbot. Aufgrund einer ausländischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers liegt jedoch keine direkte Diskriminierung vor. Auch deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU haben nach den deutschen Rechtsvorschriften keinen Anspruch auf Erziehungsgeld.

4. Wohnt der Ehegatte in einem Mitgliedstaat, so hat dieser nur dann einen Anspruch auf das deutsche Erziehungsgeld, wenn sein in Deutschland in Vollzeit tätiger Ehegatte hierdurch einen maßgeblichen Beitrag zum deutschen Arbeitsmarkt leistet und damit in die deutsche Gesellschaft hinreichend integriert ist (EuGH Urteil vom 18. 7. 2007, C-213/05).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.10.2020; Aktenzeichen B 10 EG 1/20 BH)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt ihre außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG - für die Zeit vom 19. November 2007 bis 2. April 2008.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die am ... 1974 geborene Klägerin, die die b. Staatsangehörigkeit besitzt, war vom 11. Mai 2006 bis zu ihrer am 29. Mai 2009 erfolgten Scheidung mit dem deutschen Staatsangehörigen F.H. verheiratet. Aus dieser Ehe ist der am ... 2006 geborene Sohn T. hervorgegangen. Im Januar 2007 trennte sich die Klägerin von dem Ehemann und Kindesvater. Mit vor dem Amtsgericht Hamburg am 13. März 2007 geschlossenen Vergleich verpflichtete sich ihr Ehemann, der Klägerin ab 1. April 2007 Ehegattenunterhalt in Höhe von 468,- € und Kindesunterhalt in Höhe von 199,- € monatlich im Voraus zu zahlen. Dieser Verpflichtung kam er nach den Angaben der Klägerin jedoch nur unregelmäßig nach.

Bereits im Monat der Trennung zog die Klägerin gemeinsam mit ihrem Sohn nach P./ B. zu ihren Eltern, wo sie seitdem mit ihrem Kind lebt und später dort auch eine eigene Wohnung bezogen hat. Ausweislich einer Bescheinigung des Amtes Soziale Unterstützung der Agentur für Soziale Unterstützung in P. vom 27. August 2007 konnte sie dort kein Kinder-, Erziehungs- oder Mutterschaftsgeld beanspruchen oder erhalten. Durch Entscheidung des Amtsgerichts P. vom 8. Januar 2009 wurde ihr das Sorgerecht für das Kind übertragen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Familiengericht - vom 1. April 2009 wurde diese Entscheidung anerkannt.

Die Klägerin war vor und während ihrer Ehe vom 1. Oktober 2003 bis 31. März 2007 Studentin im Fach Europastudien an der U. und bezog zuletzt im Jahre 2006 Einkünfte aus einer Beschäftigung in Höhe von insgesamt 6.541,68 €. Ihr Ehemann war in der Zeit vom 1. September 2001 bis 24. Oktober 2008 - dem Tag seiner Diplomprüfung - an der H. im Studiengang Verfahrenstechnik immatrikuliert. Im Zeitraum 1. Oktober 2002 bis 31. Oktober 2007 war er mit zeitweiligen Unterbrechungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern in H. beschäftigt. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass für ihn vom 7. Juli bis 31. Oktober 2007 und vom 3. April bis 31. Dezember 2008 ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bei der Firma H1 bestand. Daneben war er ebenfalls beginnend vom 7. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2008 geringfügig bei der V. bzw. V. Wohnen im Alter beschäftigt. Sein Studium hat er im Frühjahr 2008 erfolgreich abgeschlossen. Für die Zeit vom 15. Oktober 2007 bis 14. April 2008 traf der Kindesvater mit der Firma G. GmbH in G1 (nachfolgend G. - heute: K1 GmbH) am 9. Oktober 2007 folgende Vereinbarung:

1. G. gibt dem Diplomanden für die Zeit vom 15.10.2007 bis 14.04.2008 in ihrem Institut für Werkstoffforschung Gelegenheit, die betrieblichen Forschungseinrichtungen für die Anfertigung seiner Diplomarbeit zu nutzen.

Thema: Aufbau und Inbetriebnahme eines Umformwerkzeuges.

Der Diplomand erhält für den oben genannten Zeitraum eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe von 550,-€ brutto monatlich. G. behält sich vor, den Diplomanden im Rahmen seiner Diplomarbeit ggf. auch an einem anderen Ort einzusetzen.

2. Der Diplomand verpflichtet sich:

a) die ihm im Rahmen seiner Diplomandentätigkeit übertragenen Aufgaben gewissenhaft auszuführen und den dienstlichen Anforderungen nachzukommen,

b) die bei G. allgemein geltenden Regelungen, insbesondere die Sicherheitsvorschriften und Unfallverhütungsvorschriften zu beachten und das Eigentum der Gesellschaft … sorgsam zu behandeln,

c) über alle die...

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