Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs. Anwendung auf Zeiten vor Inkrafttreten des SGB 5. noch nicht abgeschlossener Fall
Orientierungssatz
1. Zur Rechtsfigur des mißglückten Arbeitsversuchs.
2. Der für die Aufgabe der Rechtsprechung zum mißglückten Arbeitsversuch maßgebende Gesichtspunkt für die Zeit seit Inkrafttreten des SGB 5 gilt auch für den nach den Regeln der RVO noch zu behandelnden Rechtsfall (vgl BSG vom 4.12.1997 - 12 RK 3/97 = BSGE 81, 231 = SozR 3-2500 § 5 Nr 37).
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Sozialgericht Hamburg durch sein Urteil vom 6. Oktober 1992 zu Recht festgestellt hat, dass der Kläger, der aus nicht geklärter Ursache während des Anlegevorgangs der MS "B" in T am 30. Dezember 1986 auf die Kaianlagen stürzte, sich das Genick brach und seitdem kopfabwärts gelähmt ist, ab 26. Dezember 1986 -- dem Tag seiner Anmusterung in L/P -- bei der Beigeladenen zu 1) in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Ob dem Kläger wegen des Unfalls vom 30. Dezember 1986 unfallversicherungsrechtliche Leistungen zustehen, ist in dem beim Landessozialgericht Hamburg zum Aktenzeichen III UBf 5/94 geführten Berufungsverfahren nach Obsiegen des Klägers (Urteil vom 15. Juli 1993 -- 26 U 62/89 --) streitig.
Der am 1953 in C V geborene Kläger heuerte am 26. Dezember 1986 in L/P als Deckshelfer auf der damals der Beigeladenen zu 1) gehörenden -- inzwischen ins Ausland nach Zwangsversteigerung verkauften -- MS "B" an. Seine Anmusterung als Decksmann mit der weiteren Aufgabe des Herrichtens von Fertigmahlzeiten sowie die Einstellung eines Matrosen und eines weiteren Decksmanns waren nach Aussage des damaligen Kapitäns der MS "B", H M, notwendig geworden, nachdem ein Matrose und zwei Decksleute sich nach Rückkehr vom Landgang den Anweisungen des Steuermanns G H widersetzt hatten, das Schiff, das noch vor der letzten Brückenöffnung um 20.00 Uhr auslaufen sollte, am 26. Dezember 1986 nachmittags seeklar zu machen und wegen der Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt worden waren. Die neu angemusterte, von einer Agentur vermittelte Mannschaft -- der Kläger und die Seeleute A R B und M A O R -- nahmen nachmittags sofort die Beladearbeiten der MS "B", die Spanplatten für die englische Möbelindustrie verschiffen sollte, auf. Nach Beendigung der Ladearbeiten um 19.15 Uhr wurde das Schiff in den Vorhafen verlegt, seeklar gemacht, hievte um 2.15 Uhr die Anker und ging in See nach T (Aussage des Zeugen H M vom 27. Februar 1990 vor dem Sozialgericht Hamburg in Sachen 26 U 62/89).
Während der Überfahrt zeigte der Kläger ein verwirrtes Verhalten.
In dem der See-Berufsgenossenschaft (BG) am 5. Februar 1987 und der Beklagten am 9. Februar 1987 zugegangenen Bericht vom 30. Dezember 1986 schilderte der Kapitän H M, dass der Kläger am 27. Dezember 1986 auf die Brücke gekommen sei und gesagt habe, er könne die Geräusche der Maschine nicht mehr ertragen; in seiner Kabine seien Hunde und Katzen. Er habe den Kläger beruhigt und ihn am 28. Dezember um 7.00 Uhr immer noch auf der Brücke sitzend vorgefunden. Er habe ihn in die Kombüse geschickt, damit der Kläger seine Kochtätigkeiten verrichte. Nach 10 Minuten sei er allerdings wieder an Deck erschienen, habe geschrien und versucht, die Rettungsinsel zu öffnen, um von Bord zu kommen. Bei dem Versuch, den Kläger zu beruhigen, habe der ihn in die Brust gebissen und wild um sich geschlagen. Hierzu hat der als Zeuge im unfallversicherungsrechtlichen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Hamburg am 27. Februar 1990 vernommene Kapitän H M des Weiteren dargelegt, er habe während der Überfahrt im Wesentlichen nur mitbekommen, dass sich der Kläger auf der Brücke aufgehalten, über Maschinengeräusche geklagt und gezittert habe. Er habe ihm Tabletten (Gelonida) gegeben. Es könne sein, dass der Kläger damals Fieber gehabt habe. Einen Funkspruch über die Erkrankung des Klägers habe er nicht abgesetzt, weil der Kläger friedlich sich verhalten habe.
Auch der am 7. März 1991 vor dem Sozialgericht Hamburg im Rechtsstreit 26 U 62/89 als Zeuge vernommene Steuermann G H hat ebenfalls davon berichtet, dass der Kläger von Hunden und Katzen gesprochen habe, die an Bord seien. Der Kläger habe auch nach einem Messer verlangt, um ihn zu töten.
In welchem Umfang der Kläger während der Überfahrt bis zum Anlegevorgang in T gearbeitet hat, ist nicht aufklärbar gewesen.
Die Besatzungsmitglieder B und R, die von der englischen Polizei, die an Bord des Schiffes auch nach Drogen gefahndet hatte, vernommen worden sind, berichteten von dem verwirrten Verhalten des Klägers (Protokoll der Aussage des Seemanns R vom 1. Januar 1987 und des Seemanns B vom 2. Januar 1987). Nur R wusste zu berichten, dass er während des Festmachvorgangs in T gesehen habe, wie der Kläger zum Heck gegangen und über Bord gesprungen sei. Der Seemann B, der den Unfallhergang nicht beobachtet hatte, hat den Kläger für möglicherweise geisteskrank gehalten, der damals hall...