Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Vermögen bei Bewilligung von Hilfe zur Pflege durch den Sozialhilfeträger

 

Orientierungssatz

1. Beim Anspruch eines Leistungsberechtigten auf Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB 12 ist dessen gesamtes verwertbares Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB 12 einzusetzen. Der Rückkaufwert einer Versicherung gehört grundsätzlich zum Vermögen.

2. Eine Verwertung kann dann nicht verlangt werden, wenn sie eine Härte i. S. von § 90 Abs. 3 S. 2 SGB 12 darstellt. Dem Hilfebedürftigen müssen bei einer abgeschlossenen Sterbegeldversicherung die Mittel erhalten bleiben, die er für eine angemessene Bestattung und Grabpflege zurückgelegt hat. Hierbei handelt es sich um eine schützenswerte Vermögensposition, deren Verwertung nicht verlangt werden kann (BSG Urteil vom 18. 3. 2008, B 8/9b SO 9/06 R).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte der Klägerin für die Monate Juli und August 2013 Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu bewilligen hat.

Die Klägerin ist 1932 geboren. Sie lebt seit Oktober 2012 in einem Pflegeheim (zunächst Pflegestufe II, seit 1.6.2013 Pflegestufe III).

Den Antrag der Klägerin auf Hilfe zur Pflege lehnte die Beklagte für die Zeit ab 1. Juli 2013 mit Bescheid vom 29. August 2013 wegen überschießenden Einkommens und Vermögens insgesamt ab.

Für den Monat August 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 29. August 2013 Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung in Höhe von 1069,17 EUR, wegen vorhandenen Grundbesitzes (ungeteilte Erbengemeinschaft) als Darlehen. Auch hier wurde überschießendes Vermögen in Höhe von 585,80 EUR angerechnet.

In der Folgezeit bewilligte die Beklagte der Klägerin Hilfe zur Pflege ohne weitere Vermögensanrechnung als Darlehen.

Die Vermögensanrechnung fand statt vor dem Hintergrund einer von der Klägerin bei der N. zum 1. Oktober 2013 abgeschlossenen und durch Einmalzahlung bedienten "Sterbegeld-Versicherung", deren Rückkaufwert nebst Bewertungsreserven zum 1. Mai 2013 4.402,95 EUR betrug. Die Sterbegeld-Versicherung ist nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine lebenslange Risiko-Lebensversicherung, die spätestens bei Tod der versicherten Person endet. Nach dem Beratungsprotokoll sollte die Versicherung der Vorsorge für den Todesfall zur Finanzierung der Bestattung dienen. Eine Verpflichtung, beim Ableben der Versicherungsnehmerin die Bestattungskosten aus der Versicherungsleistung zu bezahlen, besteht nach Auskunft der N. allerdings nicht.

Den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 29. August 2013 (der die darlehensweise Bewilligung von Leistungen nicht moniert) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 2014 zurück: Der Wert der Sterbegeld-Versicherung sei als Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB XII einzusetzen. Die Klägerin werde hierdurch nicht im Sinne einer Härte als Hilfeempfängerin einer angemessenen eigenen Bestattungsvorsorge beraubt. Auf den Widerspruchsbescheid wird, auch wegen der Berechnung des Leistungsanspruchs im Einzelnen, Bezug genommen.

Auf die Klage der Klägerin hin hat das Sozialgericht Hamburg mit Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2018 die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, der Klägerin Leistungen der Hilfe zur Pflege in einer Einrichtung für die Monate Juli und August 2013 in gesetzlicher Höhe jeweils ohne Anrechnung des Rückkaufswerts der Sterbegeldversicherung zu gewähren. Außergerichtliche Kosten der Klägerin seien nicht zu erstatten.

In der Begründung des Gerichtsbescheides heißt es, zwar gehöre der Rückkaufwert der Versicherung grundsätzlich zum Vermögen. Allerdings könne hier dessen Verwertung nicht verlangt werden, da sie eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII darstelle. Es sei zu respektieren, dass dem Hilfebedürftigen die Mittel erhalten blieben, die er für eine angemessene Bestattung und Grabpflege zurückgelegt habe. Aufgrund der Gesamtumstände halte das Gericht die von der Klägerin abgeschlossene Versicherung für eine schützenswerte Vermögensposition, deren Verwertung nicht verlangt werden dürfe. Auf den Gerichtsbescheid wird Bezug genommen.

Der Gerichtsbescheid ist der Beklagten am 27. Februar 2018 zugestellt worden. Am 2. März hat sie Berufung eingelegt.

Die Beklagte argumentiert insbesondere, die Sterbegeld-Versicherung sei nicht genügend zweckgebunden, um das darin gebundene Vermögen im Sinne der Härteklausel ausscheiden zu müssen. Eine solche Zweckbindung hätte durch andere Gestaltungen sichergestellt werden können, was nicht geschehen sei. Zweifel am Vorliegen eines Härtefalls ergäben sich auch daraus, dass die Versicherung im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Klägerin ins Pflegeheim abgeschlossen worden sei, woraus sich der Eindruck ergebe, dass Vermögen vor dem Zugriff des Sozialamts habe bewa...

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