Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Feststellung von Pflegebedürftigkeit. Begutachtung. Zuordnung der Verwendung eines TENS-Gerätes zu § 14 Abs 2 Nr 5 Buchst a oder b SGB 11. Abgrenzung „Körpernahe Hilfsmittel“ von „Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung“
Orientierungssatz
Zur Abgrenzung des Kriteriums des § 14 Abs 2 Nr 5 Buchst a SGB 11 „Körpernahe Hilfsmittel“ von dem des § 14 Abs 2 Nr 5 Buchst b SGB 11 „Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung“; hier: Zuordnung der Verwendung eines TENS (Transkutane Elektrische Nerven-Stimulation)-Gerätes zur Schmerztherapie.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts vom 6. Mai 2021 sowie der Bescheid vom 26. Juli 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 5. Februar 2019 der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Pflegegeld nach den gesetzlichen Bestimmungen im Umfang des Pflegegrades 3 ab dem 26. Juni 2018 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) im Umfang des Pflegegrades 3.
Die am xxxxx 1967 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich pflegepflichtversichert. Sie erlitt am 14. Oktober 2015 eine schwere Hirnblutung nachdem ein Aneurysma geplatzt war und dadurch eine schlaganfallähnliche Symptomatik ausgelöst hatte. Im Verlauf zeigte sich ein Schlaganfall der mittleren Hirnarterie und es kam zu zahlreichen Komplikationen. Bei der Klägerin bestehen weiterhin eine Hemiparese links, eine Fascialisparese und Dysarthrie.
Im Jahr 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB XI, die ihr mit Bescheid vom 18. April 2016 im Umfang der Pflegestufe I gewährt wurden. Zum 1. Januar 2017 erfolgte die Überleitung in den Pflegegrad 2.
Die Klägerin beantragte am 26. Juni 2018 bei der Beklagten Leistungen nach einem höheren Pflegegrad. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nord (MDK) mit einer Begutachtung. Im Gutachten vom 24. Juli 2018 aufgrund der Untersuchung am gleichen Tage nahm die Gutachterin H. im Modul 1: Mobilität eine überwiegende Selbständigkeit beim Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs und eine überwiegende Unselbständigkeit beim Treppensteigen an. Im Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten beurteilte sie die örtliche Orientierung, die Fähigkeiten zum Mitteilen von elementaren Bedürfnissen und zum Beteiligen an einem Gespräch jeweils als größtenteils vorhanden. Die Gutachterin berücksichtigte im Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen seltenes Auftreten von Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage. Zum Modul 4: Selbstversorgung gab die Gutachterin eine überwiegende Selbständigkeit an beim Waschen des vorderen Oberkörpers, der Körperpflege im Bereich des Kopfes, dem Waschen des Intimbereichs, dem An- und Auskleiden des Oberkörpers, dem Essen und der Benutzung einer Toilette oder eines Toilettenstuhls. Eine überwiegende Unselbständigkeit nahm die Gutachterin an beim Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare sowie dem An- und Auskleiden des Unterkörpers. Unselbständig beurteilte sie die Klägerin bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung und dem Eingießen von Getränken. Im Modul 5: Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen gab die Gutachterin an, Praxisbesuche beim Hausarzt erfolgten einmal pro Monat in Begleitung, Medikamente müssten gestellt werden und würden selbständig zweimal täglich eingenommen. Zweimal wöchentlich erhalte die Klägerin physikalische Therapie zu Hause, einmal wöchentlich Ergotherapie und einmal wöchentlich Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie. In der Bewertung berücksichtigte die Gutachterin einmal täglich Hilfe bei der Medikation und einmal monatlich Arztbesuche. Im Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte stellte die Gutachterin eine überwiegende Selbständigkeit beim Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen sowie Interaktion mit Personen im direkten Kontakt fest. Bei der Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen sowie der Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds nahm die Gutachterin eine überwiegende Unselbständigkeit an. Insgesamt ergaben sich folgende Punkte:
|
Modul |
Punkte |
Gewichtete Punkte |
1 |
3 |
2,5 |
2 |
3 |
3,75 |
3 |
1 |
4 |
16 |
20 |
5 |
1 |
5 |
6 |
8 |
11,25 |
Mit Bescheid vom 26. Juli 2018 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Pflegeleistungen mindestens im Umfang des Pflegegrads 3 ab. Zur Begründung gab sie an, der Umfang der Beeinträchtigungen entspreche den Voraussetzungen des Pflegegrads 2. Sie wiederholte die festgestellten Bewertungen aus dem Gutachten des MDK.
Die Klägerin erhob am 21. August 2018 Widerspruch ge...