Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung eines Sparguthabens zum Vermögen des Hilfebedürftigen
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung ist vorhandenes Sparvermögen demjenigen zuzuordnen, der darüber verfügungsberechtigt ist.
2. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach sich der Hilfebedürftige am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen muss. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere für Sparbücher.
3. Zwar wird in der zivilrechtlichen und oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertreten, bei Sparbüchern oder Konten, die von Eltern oder nahen Angehörigen auf den Namen eines Kindes angelegt und niemals aus der Hand gegeben werden, sei regelmäßig der Schluss zu ziehen, dass sich der Zuwendende die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will und es deshalb nicht dem Kind zuzurechnen sei. Haben die Eltern bei Volljährigkeit des Kindes diesem das Sparbuch zur Verfügung gestellt und es somit aus der Hand gegeben, so ist das entsprechende Sparguthaben Vermögen des Kindes und nicht deren Eltern.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Februar 2008 wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2006 wegen eines Sparguthabens in Höhe von 72.108,08 Euro und über die Rückforderung einer Überzahlung in Höhe von 5.389,89 Euro.
Die am XXXXX 1956 geborene Klägerin stellte am 10. Juni 2005 für sich und ihren am XXXXX 1951 geborenen Ehemann H.-P. E. einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung. Die Frage zu vorhandenen Vermögensgegenständen, insbesondere nach Sparbüchern wurde verneint. Das Zusatzblatt über berücksichtigungsfähige Vermögenswerte enthielt keine Hinweise auf erteilte Freistellungsaufträge.
Der Beklagte bewilligte ab dem 1. Juli 2005 die beantragten Leistungen unter Berücksichtigung von Arbeitseinkommen des Ehemannes der Klägerin. Auch für die Folgezeiträume wurden die Leistungen bewilligt.
Am 24. März 2006 teilte das Bundesamt für Finanzen mit, dass die Klägerin und ihr Ehemann Freistellungsaufträge bei der Kreissparkasse S. erteilt haben und für das Jahr 2004 ein Kapitalertrag in Höhe von 2.569,- Euro gemeldet worden sei. Auf die hierzu ergangene Anhörung nahm die Klägerin am 22. Mai 2006 Stellung und führte aus, dass das bei der Kreissparkasse S. geführt Sparkonto ihrer Tochter gehört habe. Aus steuerlichen Gründen sei es von der Klägerin und ihrem Ehemann verwaltet worden, da sie über den doppelten Sparerfreibetrag verfügen könnten. Das Sparkonto sei seit der Kindheit der Tochter geführt worden. Sie habe das Geld angespart, um sich eine Eigentumswohnung zu kaufen. Darüber könnten eidesstattliche Versicherungen abgegeben werden. Das Sparkonto sei am 23. Februar 2005 aufgelöst worden. Der Sparbetrag in Höhe von 72.108,08 Euro sei in bar ausgezahlt worden.
Mit Bescheid vom 21. November 2006 nahm der Beklagte die Bewilligung der Leistungen ab dem 1. Juli 2005 gem. § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - zurück. Zur Begründung führt er aus, die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X).
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie wiederholte, dass für ihre am XXXXX 1974 geborene Tochter M. seit ihrer Geburt ein Sparbuch geführt worden sei. Zu den Geburtstagen und ähnlichen Anlässen sei Geld eingezahlt worden. Auch die Tochter selbst habe erspartes Taschengeld und später Arbeitsentgelt auf das Konto eingezahlt. Auch Geld aus einer Erbschaft sei auf das Konto geflossen. Ursprünglich habe das Geld zum 18. Geburtstag an die Tochter ausgezahlt werden sollen. Zu diesem Zeitpunkt habe aber die Tochter keinen Bedarf gehabt, das Geld zu verwenden. Die Klägerin und ihr Ehemann hätten das Sparbuch weiterhin für die Tochter verwaltet. Im Oktober 2004 sei dann das Sparbuch mit Wirkung zum Februar 2005 gekündigt worden, da sich die Tochter eine Eigentumswohnung habe kaufen wollen. Das Geld sei an die Klägerin und ihren Ehemann ausgezahlt worden. Die Tochter habe sich eine Eigentumswohnung gekauft. Das Guthaben auf dem Sparbuch habe stets der Tochter gehört. Eine Vermögensverfügungsbefugnis sei für die Eltern nicht vorhanden gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2006 wies der Beklagte den Widerspruchsbescheid der Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 21. November 2006 als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, die Bewilligungsbescheide vom 12. Oktober 2005 und 8. November 2005 in der Fassung der Bescheide vom 13. Dezember 2005, 9. Februar 2006, 20. Februar 2006 und 12. April 2006 seinen für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. November 2006 ganz zurückzunehmen...