Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewaltopferentschädigung. tätlicher Angriff. Einschüchterung. Androhung eine Schusswaffe zu gebrauchen
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG (hier: Einschüchterung des Opfers mit der Anweisung sich flach auf den Boden zu legen und nicht zu bewegen verbunden mit der Androhung, dass andernfalls geschossen werde).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) schuldet.
Der im März 1971 geborene Kläger stammt aus Jugoslawien. Er reiste in den 70-er Jahren in die Bundesrepublik Deutschland ein und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 9 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Als Folge einer im Kindesalter erlittenen Menigokokkenmeningitis ist der Kläger schwer behindert. Das Versorgungsamt der Beklagten hat ihm zuletzt mit Bescheid vom 11. Juni 1997 wegen einer Sehbehinderung, sowie wegen einer geistig-seelischen Behinderung mit Verhaltensstörungen und Kopfschmerzneigung, außerdem wegen einer chronischen Atemwegserkrankung und wiederkehrenden Nasennebenhöhleninfekten einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 und die Merkzeichen B, G, H und RF zuerkannt, wobei nach versorgungsärztlicher Einschätzung aus dem Jahr 2002 die Sehbehinderung und die geistig-seelische Behinderung jeweils für sich bereits einen Teil-GdB von 100 ausmachen.
Am 2. Februar 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz. Dem liegt im einzelnen der Sachverhalt zugrunde, der auf S. 2 bis 4 des erstinstanzlichen Urteils als Auszug aus der Akte der Staatsanwaltschaft (3005 Js 181/04) wiedergegeben ist: Zur Begründung seines Antrages wie auch im Strafverfahren gab der Kläger an, er sei am frühen Morgen des 16. Januar 2004 in seiner H Wohnung von zwei Männern, die sich als Polizeibeamte ausgegeben hätten, bedroht und ausgeraubt worden. Hierdurch habe er psychische Verletzungen erlitten. Zunächst an diesem Tag habe ihn der ihm bekannte Inder D N D in seiner Wohnung aufgesucht und ihn bedrängt, mitgebrachte Drogen zu verstecken, was er abgelehnt habe. Sodann seien die beiden Männer erschienen, die nach dem D gefragt und diesem Handschellen angelegt hätten. Er selbst habe sich bäuchlings flach auf den Boden legen müssen und sei angewiesen worden, sich nicht zu bewegen, andernfalls werde geschossen. Sodann habe einer der Männer ihn durchsucht, ihm die Brieftasche aus der rechten Gesäßtasche gezogen und 250 Euro entnommen, angeblich, um es auf "Drogengeld" zu kontrollieren. Er wisse nicht genau, ob D mit den beiden Männern zusammengearbeitet habe, vermute dies jedoch.
Das Ermittlungsverfahren gegen D N D wegen Raubes nach § 249 Strafgesetzbuch (StGB) ist durch Verfügung der Staatsanwaltschaft H vom 7. Juli 2004 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung eingestellt worden, da diesem "eine Beteiligung an der Raubtat" zum Nachteil des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar sei. Die beiden sich als Polizisten ausgebenden Männer konnten strafrechtlich nicht verfolgt werden, da sie unerkannt geblieben sind.
Mit Bescheid vom 11. August 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab: Ein Angriff im Sinne von § 1 OEG sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen. Der Kläger habe sich, folge man seiner Schilderung, nach dem Eindringen der Täter in seine Wohnung lediglich auf dem Boden legen müssen. Eine bloße Bedrohung stelle keinen Angriff im Sinne des Opferentschädigungsrechts dar. Die Staatsanwaltschaft habe auch lediglich wegen einer Raubtat und nicht wegen Körperverletzung oder dergleichen ermittelt.
Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, seit dem Vorfall leide er unter einer Panik- und Angststörung.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. In der Begründung heißt es, in dem angefochtenen Bescheid sei zutreffend entschieden worden, dass ein Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht vorgelegen habe. Das Merkmal eines tätlichen Angriffs sei dann gegeben, wenn einem objektiven Dritten die Drohungen (und der Angriff auf ein Hindernis zwischen Täter und Opfer) als ein nur kurzzeitiges Durchgangsstadium für einen unmittelbaren nachfolgenden Angriff auf die Person des Bedrohten erscheinen müssten. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Dritte mit der bevorstehenden Tötung oder ernstlichen Verletzung des Opfers rechne. Im Falle des Klägers gebe es jedoch keine Anzeichen einer unmittelbar bevorstehenden Gewaltanwendung. Die Täter hätten vielmehr beabsichtigt, ihn lediglich einzuschüchtern, um ihm Geld wegzunehmen und in der Wohnung irgendwelche Drogendelikte zu begehen.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 15. Oktober 2004 zur Post gegeben. Am 1...