Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung einer Kniescheibenverrenkung als Folge eines Arbeitsunfalls

 

Orientierungssatz

1. Die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen einem Körper- bzw. Gesundheitsschaden und dem Arbeitsunfall ist gegeben, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die auf dem Unfall beruhenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann und wenn die gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Faktoren außer Betracht bleiben können, vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R.

2. Nach ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung kann eine Verrenkung der Kniescheibe nur entweder durch eine direkte Gewalteinwirkung auf deren Innenseite oder im Wege indirekter Gewalteinwirkung durch eine forcierte Innendrehung des Oberschenkels gegenüber dem in Außenrotation fixierten Unterschenkel bei gleichzeitiger Kniebeugung entstehen.

3. Eine Fixierung des Unterschenkels ist notwendig, um die für eine Kniescheibenverrenkung durch indirekte Einwirkung erforderlichen hohen Kräfte zu erzeugen. An dem Nachweis eines solchen geeigneten Unfallmechanismus fehlt es, wenn das geschädigte Knie zum Zeitpunkt des Unfallereignisses in nicht unerheblichem Umfang verrenkungsbegünstigende Faktoren aufweist und erst recht dann, wenn der Versicherte eine Vielzahl unterschiedlicher Darstellungen zum Unfallereignis abgegeben hat.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b, § 8 Abs. 1 S. 2; SGG § 118 Abs. 1 S. 1; ZPO § 402

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. Januar 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall (Schulunfall).

Der am XXXXX 1983 geborene Kläger war Schüler der Gesamtschule S. in H2. Am 22. November 2000 gegen 12.40 Uhr wurde er von dort mit dem Rettungstransportwagen in das Allgemeine Krankenhaus H1 eingeliefert. Im Durchgangsarztbericht des Funktionsbereichs Unfallchirurgie des Krankenhauses vom 22. November 2000, wo der Verletzte vom 22. November bis 2. Dezember 2000 stationär behandelt wurde, heißt es: "Der Unfallverletzte ist heute nach einem Streit auf dem Schulhof gestürzt und auf das linke Knie gefallen. Bei Aufnahme wird das linke Knie in Beugestellung gehalten, der Unterschenkel ist nach außen verdreht. Die Kniescheibe steht in Fehlstellung an der Außenseite des linken Knies. Nach Korrektur der Fehlstellung Beweglichkeit schmerzbedingt eingeschränkt. Druckschmerz im Bereich des inneren und äußeren Haltebandes der Kniescheibe. Deutlicher Gelenkerguss. Keine Hautverletzungen. Körperferne Durchblutung, Gefühl und Beweglichkeit intakt." Als Diagnose wird "Kniescheibenverrenkung" angegeben. Im Arztbrief des Leitenden Arztes des Funktionsbereichs Unfallchirurgie vom 6. Dezember 2000 wird zum Verlauf der Behandlung ausgeführt, es habe sich radiologisch eine sich nach außenseitig verrenkende Kniescheibe gezeigt, weitere knöcherne Verletzungen seien nicht nachweisbar gewesen. Bei der am 24. November 2000 durchgeführten Arthroskopie habe sich ein ausgedehnter blutiger Erguss sowie über dem äußeren Femorcondylus ein kleiner Knorpelcrash gefunden, während die Kniescheibe selbst keinerlei Knorpelverletzungen aufgewiesen habe, jedoch durch ein ausgeprägtes medialseitiges Weichteilhämatom erheblich nach außen verlagert gewesen sei. Nach Entlassung aus der stationären Behandlung erfolgte die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung durch die Durchgangsärzte, die in ihrem MRI-Befund vom 21. Dezember 2000 einen noch deutlichen Gelenkerguss, aber unauffällige Knorpelbeläge im Bereich der medialen und lateralen Femurkondyle und des medialen und lateralen Tibiaplateaus und im Bericht vom 21. Februar 2001 auf der Grundlage einer am 9. Februar 2001 erfolgten letzten Vorstellung einen vollständigen Rückgang des Ergusses, jedoch noch deutliche Muskelminderung feststellten und die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung zum 9. Februar 2001 beendeten.

Mit Telefax-Schreiben vom 6. Juli 2001 wandte sich die Techniker-Krankenkasse an die Beklagte und bat unter Hinweis auf das Ereignis vom 22. November 2000 um Übernahme der Kosten für weitere 10 ambulante Physiotherapiebehandlungen, welche von dem Arzt für Orthopädie Merget verordnet worden waren. Dieser teilte auf Anfrage der Beklagten mit, der Kläger habe sich Anfang Juni 2001 beim privaten Basketballspiel verletzt, indem er über einen Mitspieler gestolpert sei. Dabei sei erneut eine Luxation der Patella (Kniescheibe) eingetreten. Der bildgebende Befund passe zu einer rezidivierenden Luxation der Patella. Als Diagnose gab er habituelle Patellaluxation links an. Daraufhin ließ die Beklagte eine Zusammenhangsbegutachtung durchführen. Gegenüber dem mit seinem Einverständnis mit der Untersuchung und Begutachtung beauftragten Arzt für Chirurgie M. gab der Kläger bei der am 12. August 2008 durchgeführten ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge