Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Gesundheitserstschaden. haftungsbegründende Kausalität. Konkurrenzursache. Vorschaden. Kniescheibenverrenkung. Theorie der wesentlichen Bedingung. Kniescheibenluxation. Außenrotation. HOFFA'scher Fettkörper. Sulcuswinkel. Reposition. medizinischer Erfahrungssatz- Schadensanlage. Basketballspiel. Sportunterricht
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verrenkung der Kniescheibe kann traumatisch nur entweder durch eine direkte Gewalteinwirkung auf deren Innenseite oder im Wege indirekter Gewalteinwirkung durch eine forcierte Innendrehung des Oberschenkels gegenüber dem in Außenrotation fixierten Unterschenkel bei gleichzeitiger Kniebeugung entstehen.
2. Das Schadensbild nach einer Kniescheibenverrenkung ist in der Regel nicht ausreichend in der Lage, Aussagen zur Kausalität zu treffen, da bei erstmals auftretenden Kniescheibenverrenkungen, seien sie traumatisch oder anlagebedingt, ein weitgehend identisches Befundbild zu erwarten ist. Viele Verletzungen sind zwangsläufige Folge der Luxation bzw der Reposition. Eine deutliche Einblutung im Bereich des HOFFA'schen Fettkörpers hingegen findet sich bei einer spontanen Patellaluxation im Normalfall nicht und deutet auf eine Traumagenese hin.
3. Hinsichtlich der Einordnung in die verschiedenen Kniescheibentypen zwecks Ermittlung einer Schadensanlage ist auf Röntgenaufnahmen abzustellen. Ein Sulcuswinkel über 150 Grad gemessen nach Brattström ist als wesentliche konkurrierende Ursache anzusehen.
4. Ein medizinischer Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine spontane Reposition nur bei anlagebedingten Luxationen auftritt, existiert nicht.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 16. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger am 24. März 2011 einen Arbeitsunfall mit der Folge einer traumatisch bedingten Patellaluxation links erlitten hat.
Der 1993 geborene Kläger nahm am 24. März 2011 im Sportunterricht an einem Basketballspiel teil und rutschte dabei aus. Ausweislich des Berichtes des Durchgangsarztes vom 29. März 2011, bei dem sich der Kläger am 25. März 2011 vorstellte, kam dieser mit dem linken Knie auf und verdrehte sich dabei. Der Durchgangsarzt äußerte den Verdacht auf eine stattgehabte Patellaluxation des linken Knies. Laut des Ergänzungsberichtes “Knie„ vom gleichen Tage wurden eine mediale Weichteilschwellung und Kapselverdickung diagnostiziert. Beim MRT des linken Kniegelenkes am 28. März 2011 ergab sich eine komplette Ruptur der Patella bei Zustand nach lateraler Patellaluxation, begleitet von einem Knochenmarködem. In einem Fragebogen vom 13. Juli 2011 schilderte der Kläger den Unfallhergang dahingehend, dass er beim Basketballspiel im Sportunterricht beim Abstoppen aus dem Lauf weggerutscht und dabei mit dem linken Kniegelenk auf den Boden geprallt sei. Die Kniescheibe sei sichtbar heraus- und wenig später von selbst wieder hereingesprungen. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. L. stellte in einer Stellungnahme vom 26. November 2011 fest, dass wesentlich für die gedeckte Kniescheibenverrenkung links Schadensanlagen wie eine Kniescheibenfehlform entsprechend WIBERG IV seien. Abgesehen von verrenkungsbedingten Veränderungen im Kniescheiben-/oberschenkelgelenk fänden sich keine weiteren Zeichen einer stattgehabten Krafteinwirkung auf das linke Kniegelenk.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Dezember 2011 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. In seinem Widerspruchsschreiben vom 2. Januar 2012 schilderte der Kläger den Unfallhergang dahingehend, dass er sich als ballführender Spieler im Sprint auf den Korb zubewegt habe, als unvorhersehbarerweise von vorne rechts ein Gegenspieler ihm schnell entgegen gekommen sei. Zwecks Vermeidung eines Zusammenstoßes habe er versucht, mit dem linken Bein nach vorne links abzustoppen, sei weggerutscht und nach vorne gestürzt. Dabei sei sein linkes Bein leicht einwärts gedreht worden. Die Kniescheibe sei nach außen heraus gedrückt und eine Sekunde später wieder von selbst herein gesprungen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 zurück. Alleinige Ursache der Patellaluxation links sei die vorhandene Kniescheibenfehlform.
Hiergegen hat der Kläger am 13. Juni 2012 beim Sozialgericht Altenburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Dr. Sch. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser bejaht in seinem Gutachten vom 18. Juli 2013 das Vorliegen einer traumatisch bedingten Patellaluxation links. Der kernspintomographische Befund belege das Vorliegen einer Patellaluxation am Unfalltag. Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang sei geeignet, eine Patellaluxation zu verursachen. Der Fuß sei nicht nur nach vorne, sondern auch seitlich nach links weggerutscht, so dass der erforderliche Valgusst...