Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Kindergeldnachzahlung in 2015. Rechtsänderung zum 1.8.2016. Geltungszeitraumprinzip. Berücksichtigung der Nachzahlung als laufende Einnahme im Zuflussmonat. kein Verteilzeitraum

 

Orientierungssatz

1. In Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden. Die zum 1.8.2016 in Kraft getretene spezielle Neuregelung des § 11 Abs 3 S 2 SGB 2 zur Behandlung von Nachzahlungen findet mangels einschlägiger Übergangsregelungen und wegen des Geltungszeitraumprinzips keine Anwendung auf eine Kindergeldnachzahlung, die bereits im Juli 2015 zugeflossen ist.

2. Klassische Nachzahlungen - wie hier die Kindergeldnachzahlung - unterfallen auch nicht der Regelung des § 11 Abs 2 S 3 SGB 2, sondern nur laufende Einnahmen, die regelmäßig, aber nicht in aufeinanderfolgenden Monaten gezahlt werden.

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat den Klägern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren nach Erlass mehrerer Änderungsbescheiden noch höhere Leistungen für die Zeit vom 1. August 2015 bis zum 31. Januar 2016; streitig ist, ob Nachzahlungen von Kindergeld, die ihnen im Juli 2015 zuflossen, auf die nachfolgenden sechs Monate aufzuteilen und bedarfs- bzw. leistungsmindernd anzurechnen ist.

Die Kläger - Vater, Mutter und drei damals minderjährige Kinder - bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Sie standen jedenfalls seit November 2014 im aufstockenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 23. Juli 2015 bewilligte die Familienkasse Bayern Nord für die Kläger zu 3. bis 5. Kindergeld für die Zeit ab September 2014; der hieraus entstehende Nachzahlungsbetrag von 2.772,00 Euro floss am 29. Juli 2015 auf das Konto des Klägers zu 1. Mit einem weiteren Bescheid vom 23. Juli 2015 wurde für die Kläger zu 3. bis 5. der Kindergeld-Unterschiedsbetrag für den Zeitraum Januar 2014 bis August 2014 auf 4.237,12 Euro festgesetzt; auch dieser Betrag floss am 29. Juli 2015 auf das Konto des Klägers zu 1.

Mit Bescheid vom 24. August 2015 und Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2016 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger vom 24. August 2015 auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Begründung hieß es, die Kläger hätten Anspruch auf Leistungen nach dem Wohngeldgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz (Kinderzuschlag). Hiermit könnten sie höhere Leistungen erhalten. Damit seien sie nicht hilfebedürftig und hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Hiergegen erhoben die Kläger am 29. Januar 2016 Klage, nachdem die Familienkasse Nord der Bundesagentur für Arbeit den Antrag der Kläger vom 15. September 2015 auf Bewilligung eines Kinderzuschlages abgelehnt hatte (Bescheid vom 7. Oktober 2015 und Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2015).

Im Laufe des Klageverfahrens bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 31. Januar 2017. Zudem bewilligte er den Klägern mit drei Bescheiden vom 2. September 2016 Leistungen für den gesamten Monat August 2015, für die Zeit vom 1. September 2015 bis zum 28. Januar 2016 sowie für die Zeit vom 29. Januar 2016 bis zum 30 Juni 2016. Dabei rechnete er für den Zeitraum August 2015 bis Januar 2016 neben Erwerbseinkommen des Klägers zu 1. und Kindergeld für die Kläger zu 3. bis 5. als sonstiges Einkommen auch einen Betrag von 597,96 Euro monatlich an.

Nach weiterem Vortrag der Kläger ergingen Änderungsbescheide für die Zeit von März 2016 bis Juli 2016, mit denen die Leistungen der Kläger unter Berücksichtigung der von ihnen eingereichten Unterlagen über ihr Einkommen neu festgesetzt wurden. Die Kläger erklärten den Rechtstreit daraufhin für die Zeit ab dem 1. Februar 2016 für erledigt. Die Berechnung der Leistungen für die Zeit von August 2015 bis Januar 2016 beanstandeten sie aber weiterhin und beantragten, den Beklagten zu verurteilen, ihnen vom 1. August 2015 bis zum 31. Januar 2016 Leistungen ohne Berücksichtigung eines sonstigen Einkommens von 597,96 Euro monatlich zu gewähren. Die im Juli 2015 zugeflossene Nachzahlung der Familienkasse Bayern Nord sei nicht auf die Zeit von August 2015 bis Januar 2016 aufzuteilen. Tatsächlich handele es sich um zwei laufende Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 2 SGB II. Nach der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung seien laufende Einnahmen in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen. Der Beklagte wandte dagegen ein, dass nach seiner Weisungslage Kindergeldnachzahlungen als einmalige Einnahme zu behandeln und daher auf einen Zeitraum von sechs Monaten zu verteilen und anzurechnen seien. Im Übrigen habe der Gesetzgeber durch die Änderung von § 11 SGB II zum 1. August 2016 klargestellt, dass Nachzahlungen von laufenden Einnahmen wie einmal...

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