Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Insolvenzereignis. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit. offensichtliche Masselosigkeit. Zahlungsunwilligkeit. Feststellung. Nachweis

 

Orientierungssatz

1. Die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit ist als Insolvenzereignis nur dann beachtlich, wenn die Lohnzahlung mit dem Hinweis auf die von der bloßen Zahlungsunwilligkeit zu unterscheidende Zahlungsunfähigkeit unterblieben ist und die offensichtliche Masselosigkeit im Zeitpunkt der Betriebseinstellung bereits vorgelegen hat.

2. Kann trotz der Erleichterungen durch den Begriff "offensichtlich" eine Feststellung der Masselosigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfolgen, so geht dies zulasten des Arbeitnehmers.

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. Dezember 2012 bis zum 14. Februar 2013.

Die im Jahre 1980 geborene Klägerin war aufgrund eines bis zum 1. November 2014 befristeten Arbeitsvertrages ab dem 1. November 2012 bei der Firma A. (im Folgenden: Arbeitgeber) als Call-Agentin beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Januar 2013 zum 7. Februar 2013. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg (22 Ca 36/13), welches mit Versäumnisurteil vom 12. April 2013 feststellte, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 14. Februar 2013 fortbestehe. Zudem wurde der Arbeitgeber zu Lohnzahlungen für die Zeit vom 1. November 2012 bis 14. Februar 2013 verurteilt. Für die Zeit vom 24. Januar 2013 bis 25. Januar 2013 erhielt die Klägerin von ihrer Krankenkasse Kinderkrankengeld in Höhe von insgesamt 84,62 € brutto (74,50 € netto).

Am 14. Februar 2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld, ohne Angaben zum Insolvenzereignis zu machen. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2013 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe nur bei Vorliegen eines der in § 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) genannten Insolvenzereignisse. Im Falle der Klägerin habe ein solches nicht festgestellt werden können.

Mit Antrag vom 7. Dezember 2013, bei der Beklagten eingegangen am 3. Januar 2014, begehrte die Klägerin erneut die Zahlung von Insolvenzgeld für die vorgenannte Tätigkeit beim Arbeitgeber. Durch ihren Rechtsanwalt habe sie Kenntnis von einem Insolvenzereignis erlangt. Für die Zeit vom 1. November 2012 bis 14. Februar 2013 habe sie kein Arbeitsentgelt erhalten. Die Klägerin verwies auf den Inhalt des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 2013 (22 Ca 36/13).

Mit Bescheid vom 7. Januar 2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Insolvenzgeld ab. Ein Insolvenzereignis habe nicht festgestellt werden können. Wie bereits mit Bescheid vom 23. Dezember 2013 mitgeteilt, könne eine Zahlungsunfähigkeit des ehemaligen Arbeitgebers nicht festgestellt werden.

Am 21. Januar 2014 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2013 ein. Es liege ein Insolvenzereignis gemäß § 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III vor. Der ehemalige Arbeitgeber habe seine Betriebstätigkeit vollständig eingestellt. Unter seinem ursprünglichen Geschäftssitz in der P. sei er nicht mehr zu erreichen. Sie habe erfahren, dass gegen den Arbeitgeber ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig sei. Bisher sei die Zwangsvollstreckung bis auf eine erste Gehaltszahlung von 991,95 € erfolglos geblieben. Auch die Zwangsvollstreckung am Wohnsitz des Arbeitgebers sei erfolglos verlaufen. Die Klägerin übersandte das Protokoll einer Zwangsvollstreckung vom 24. September 2013. Dem Gerichtsvollzieher seien weitere Vollstreckungsmaßnahmen Dritter bekannt. Der Gerichtsvollzieher habe die Unpfändbarkeit festgestellt. Zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Vermögensverhältnisse sei der Arbeitgeber nicht erschienen; das entsprechende Protokoll vom 25. Oktober 2013 legte die Klägerin der Beklagten vor. Es werde bestritten, dass der Arbeitgeber seinen Geschäftsbetrieb weiterführe. Die Klägerin teilte der Beklagten im Januar 2014 telefonisch mit, dass sie Teile des Gehalts durch die Beitreibung des Gerichtsvollziehers erhalte. Eine Kollegin, die ebenfalls einen Gerichtsvollzieher beauftragt habe, habe ebenso Teile des Gehalts durch die Beitreibung des Gerichtsvollziehers bekommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23. Dezember 2013 als unbegründet zurück. Eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei nicht ersichtlich. Der Arbeitgeber habe beim Amtsgericht bisher keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Die von der Klägerin eingeleiteten Pfändungen seien offensichtlich erfolgreich gewesen. Die Klägerin habe vorgetragen, sie habe einen Teil ihres Entgelts durch die Zwangsvollstreckung erhalten. Auch h...

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