Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeldanspruch. Insolvenzereignis. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit. offensichtliche Masselosigkeit. Zahlungsunwilligkeit

 

Orientierungssatz

Der Eintritt des Insolvenzereignisses der Betriebseinstellung bei völliger Masselosigkeit nach § 165 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 3 lässt sich dann nicht feststellen, wenn ein Arbeitgeber Schulden in großer Höhe gemacht und sich abgesetzt hat, ohne sie zu begleichen und offensichtlich keine Zahlungsunfähigkeit, sondern eine Zahlungsunwilligkeit vorlag.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 2. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Insolvenzgeld für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014.

Der 1961 geborene Kläger war seit dem 12. März 2013 bei der Firma Dipl.Ing S... M... GmbH (im Folgenden: S... M...) in I... als Bauleiter beschäftigt.

Die Firma S... M... wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 28. Juli 2009 gegründet und am 8. September 2009 im Handelsregister des Amtsgerichts P... unter der Handelsregisternummer HRB ... eingetragen. In der Zeit vom 28. Juli 2009 bis 21. November 2013 war K... E... Geschäftsführer und seit dem 19. April 2013 auch Alleingesellschafter der Firma S... M.... Am 21. November 2013 übertrug der ehemalige Geschäftsführer E... seine Anteile an „A... B...“, der am gleichen Tage als Geschäftsführer eingetragen wurde und den Sitz der Gesellschaft von I... nach B... verlegte (Amtsgericht C..., HRB ...; Eintragung vom 26. April 2014).

Am 30. Dezember 2013 wurde dem Kläger zum 31. Dezember 2013 schriftlich gekündigt. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage sowie Zahlungsklage für die Monate Dezember 2013 und Januar 2014. Mit Versäumnisurteil vom 24. April 2014 stellte das Arbeitsgericht E... (Az. ... Ca .../14) fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht vor Ablauf des 31. Januar 2014 beendet sei. Zudem wurde die Firma S... M... zu Lohnzahlungen für Dezember 2013 und Januar 2014 verurteilt. Das Versäumnisurteil wurde dem Kläger am 21. Mai 2014 zugestellt. Unter dem 3. Juni 2014 teilte das Arbeitsgericht E... mit, dass das Versäumnisurteil weder unter der Anschrift B... Straße ... in B..., noch unter der Anschrift F...-E...-Straße ... in P..., noch unter der Privatanschrift des Geschäftsführers der beklagten Firma S... M..., „A... B...“, habe zugestellt werden können.

Am 26. Mai 2014 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Insolvenzgeld unter Hinweis auf das arbeitsgerichtliche Verfahren. Ergänzend gab er an, dass die GmbH während des Arbeitsgerichtsverfahrens offensichtlich ihren Sitz nach B... verlegt habe, die dortige Adresse sich aber als Briefkastenadresse herausgestellt habe. Neben dem Kläger hätten auch andere Kollegen ausstehende Lohnansprüche eingeklagt. Es sei aktuell davon auszugehen, dass es einen aktiven Geschäftsbetrieb der Firma S... M... (auch in B...) nicht mehr gebe, die Geschäftstätigkeit sei mithin vollständig eingestellt worden. Damit liege ein Insolvenzereignis vor.

Im Formularantrag machte der Kläger keine Angaben zum Insolvenzereignis. Auch ein Datum zur vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit benannte er nicht; er habe in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weitergearbeitet.

Mit einer Zwischeninformation vom 1. Juli 2014 teilte die Beklagte mit, dass sie Ermittlungen zum möglichen Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) aufgenommen habe. Nach Auskunft des Insolvenzgerichts sei kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Die vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit sei nicht nachgewiesen, da eine Sitzverlegung nach B... mit Eintragung beim Handelsregister des Amtsgerichts C... erfolgt sei. Hinweise auf eine Betriebseinstellung seien nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für ein Liquidationsverfahren, Pfändungsprotokoll o.ä. könnten nicht festgestellt werden, so dass auch der Tatbestand der offensichtlichen Masselosigkeit nicht gegeben sei.

Der Kläger entgegnete, es liege eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit vor, an die vermeintliche Adresse in B... könne nicht zugestellt werden; ein anderer Betriebssitz sei nicht existent.

Mit Bescheid vom 17. Juli 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung von Insolvenzgeld ab. Da ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden sei, komme allein ein Insolvenzereignis nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB III in Betracht. Vorliegend lasse sich der letzte Tag einer vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit, d.h. der Tag, an dem die letzte dem Betriebszweck dienende Tätigkeit tatsächlich stattgefunden habe, nicht feststellen. Hier sei eine formelle Sitzverlegung der Gesellschaft nach B... erfolgt, ohne dass dort die betriebliche Tätigkeit aufgenommen worden sei. Anhaltspunkte auf eine offensichtliche Masselosigkeit lägen nicht vor. Masselosigkeit liege vor, w...

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