Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstlersozialversicherung. Künstlersozialabgabepflicht. einmalige Auftragserteilung mit einem Auftragswert über 450 Euro. kein Vorliegen des Merkmals "nicht nur gelegentlich"
Orientierungssatz
Eine einmalige Auftragserteilung mit einem Entgelt in Höhe von mehr als 450 Euro (hier 1750 Euro) innerhalb eines mehrjährigen Erfassungszeitraums erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal "nicht nur gelegentlich" im Sinne von § 24 Abs 2 S 1 KSVG in Verbindung mit § 24 Abs 3 KSVG und löst somit keine Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 S 2 KSVG aus.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Beigeladenen wird als unzulässig verworfen.
3. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu gleichen Teilen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Abgabepflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG).
Der Kläger ist Rechtsanwalt und beauftragte im Jahr 2017 den selbstständigen Webdesigner M. mit der Erstellung einer Webseite für seine Kanzlei. Hierfür bezahlte der Kläger am 07.03.2017 750 Euro und nach Fertigstellung 1000 Euro am 18.07.2017.
Durch Bescheid vom 18.05.2018 stellte die Beklagte im Rahmen einer Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.01.2012 bis 31.12.2017 eine Abgabepflicht des Klägers nach dem KSVG und eine entsprechende Nachforderung der Künstlersozialabgabe in Höhe von 84 Euro fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 25.06.2018 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass das Tatbestandsmerkmal „nicht nur gelegentlich“ nicht schon dann vorliege, wenn das Auftragsentgelt 450 Euro übersteige. Angesichts des Wortlauts sei darüber hinaus eine nicht nur einmalige Auftragserteilung erforderlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung verwies sie auf den seit dem 01.01.2015 geltenden § 24 Abs. 3 KVSG, nach dem Aufträge nur „gelegentlich“ erteilt werden, wenn die Summe der Entgelte aus den in einem Kalenderjahr erteilten Aufträgen 450 Euro nicht übersteigt. Durch diesen sei der Begriff „gelegentlich“ gesetzlich so definiert worden, dass allein die Wertgrenze von 450 Euro maßgeblich sei. Der Kläger sei folglich abgabepflichtig nach dem KSVG.
Der Kläger hat am 15.10.2018 vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben, welches den Bescheid vom 18.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2018 durch Urteil vom 29.10.2020 aufgehoben hat.
In dem relevanten Prüfungszeitraum sei der Kläger als ein nur gelegentlicher Verwerter von künstlerischen oder publizistischen Werken aufgetreten und daher nicht abgabepflichtig gem. § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG. Nach diesem seien auch Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, die für die Zwecke ihres eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Sinn und Zweck des § 24 Abs. 1 Satz 2 KSVG erforderten bei dem Grunde nach abgabepflichtigen Unternehmen, bei denen das Verwerten von Kunst bzw. Publizistik gerade nicht bereits ihrem Gegenstand nach typisch sei, das Hinzukommen des Merkmals der „nicht nur gelegentlichen Auftragserteilung“, um eine die Künstlersozialabgabe im Kern rechtfertigende arbeitgeberähnliche Position annehmen zu können. Hierbei sei der gesamte vom Bescheid umfasste Zeitraum zu berücksichtigen. Die vom Gesetzgeber durch die Einführung der 450-Euro-Grenze geschaffene Konkretisierung gelte nur für die erteilten Aufträge innerhalb eines Kalenderjahres. Wenn aber innerhalb eines mehrjährigen Prüfungszeitraums nur ein einziger Auftrag erteilt werde, liege nur eine gelegentliche Auftragserteilung vor. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die bisherige Rechtsprechung des BSG, die die Notwendigkeit der Dauer und Regelmäßigkeit der Auftragserteilung stets betont habe, habe aufgegeben werden sollen.
Gegen das der Beklagten am 06.11.2020 zugestellte Urteil hat diese am 18.11.2020 Berufung eingelegt. Sie besteht auf die von ihr vorgetragene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „nicht nur gelegentlich“.
Die Beklagte beantragt,
die Entscheidung des Sozialgerichtes Hamburg vom 29. Oktober 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Auslegung des streitigen Tatbestandsmerkmals durch das Sozialgericht für zutreffend und weist zur Unterstützung seiner Rechtsauffassung auf den im Wortlaut des § 24 KSVG verwendeten Plural des Wortes „Aufträge“ hin.
Mit Beschluss vom 21.01.2021 ist die Künstlersozialkasse beigeladen worden. Mit Schriftsatz vom 05.02.2021, eingegangen am 11.02.2021, hat die Beigeladene Anschlussberufung eingelegt. Darin hat sie vollumfänglich auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 18.11.2020 Bezug genommen.
Sie beantragt wie die Beklagte,
die Entscheidung des Sozialgerichtes Hamburg vom 29. Okt...