Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung von Rentenbeträgen mit Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger
Orientierungssatz
1. § 52 Abs. 2 SGB 1 bestimmt, dass eine Aufrechnung mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte zulässig ist, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig i. S. des SGB 2 oder SGB 12 wird. Den Leistungsberechtigten trifft insoweit eine Nachweisobliegenheit i. S. einer verstärkten Mitwirkungspflicht.
2. Hierbei finden die besonderen Pfändungsfreigrenzen aus § 54 Abs. 2 und 4 SGB 1 keine Anwendung; sie gelten nur in den Fällen des § 51 Abs. 1 SGB 1, nicht aber in den von § 51 Abs. 2 SGB 1 erfassten Fällen einer Aufrechnung mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen. Zu beachten ist allein die geltende Grenze in Höhe der Hälfte der laufenden Geldleistung
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Verrechnung.
Die Beklagte bewilligte dem 1951 geborenen Kläger ab 1. Januar 2017 eine Regelaltersrente in Höhe von 476,20 EUR (Bescheid vom 20. Dezember 2016).
Mit Schreiben vom 20. Januar 2017 ermächtigte die Bundesagentur für Arbeit die Beklagte zur Verrechnung eines Erstattungsanspruchs wegen zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen mit der gewährten Rente. Ausweislich der Forderungsaufstellung handelte es sich dabei um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sowie Mahngebühren in einer Gesamthöhe von 6.395,43 EUR. Die zugrunde liegenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 12. September 2008 waren beigefügt.
Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 30. Januar 2017 zu einer beabsichtigten „Auf-/Verrechnung“ mit der laufenden Rente in Höhe der Hälfte des monatlichen Rentenbetrags an. Sie wies darauf hin, dass die Verrechnung ausgeschlossen sei, wenn der Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des SGB II oder des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) würde. Gegebenenfalls werde um Vorlage einer Bescheinigung der Agentur für Arbeit oder des Sozialhilfeträgers bzw. eines Leistungsbescheides gebeten.
Der Kläger verwies daraufhin auf seinen Rentenbescheid und übersandte einen Beitragsbescheid seiner Kranken- und Pflegekasse. Er wies darauf hin, dass seine Rente nur 476,20 EUR betrage und ihm abzüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags von 180 EUR lediglich 296,20 EUR verbleibe. Durch die angekündigte Verrechnung würde er daher unter dem Sozialhilfeniveau liegen; die Verrechnung sei zudem unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft und führe zu einer unbilligen Härte.
Mit Bescheid vom 4. April 2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab Juni 2017 die Auf- bzw. Verrechnung der Forderung der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 6.395,43 EUR mit monatlich der Hälfte des Rentenzahlbetrages - derzeit 238,10 EUR - vorgenommen werde. Die Forderung sei bestandskräftig festgestellt und fällig geworden. Der Eintritt von Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII sei von dem Kläger nicht nachgewiesen worden, denn er habe die angeforderte Bedarfsbescheinigung nicht vorgelegt. Auch im Rahmen des ausgeübten Ermessens sei die Auf- bzw. Verrechnung gerechtfertigt. Besondere Umstände, die die Einbehaltung als unbilligen Eingriff in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers erscheinen ließen, seien nicht erkennbar.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch führte der Kläger aus, dass er durch die Verrechnung nicht mehr in der Lage sei, seinen Mindestbedarf zu decken.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2017 zurück. Der Kläger habe den Eintritt von Hilfebedürftigkeit durch die Verrechnung nicht nachgewiesen, da er keine Bedarfsbescheinigung vorgelegt habe. Er sei verheiratet, habe aber zum Einkommen seiner Ehefrau nichts mitgeteilt. Für die Frage der Hilfebedürftigkeit sei aber auf den Gesamtbedarf der mit dem Leistungsberechtigten im Haushalt lebenden Personen abzustellen. Im Hinblick auf die Höhe und die Bestandsdauer der Forderung sei die Verrechnung angemessen. Die Beklagte habe ihr Ermessen daher nicht missbraucht.
Mit seiner am Montag, den 28. August 2017 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass er über keine weiteren Einkünfte als die Rente verfüge und damit unter dem Existenzminimum liege. Er werde daher durch die Verrechnung schlechter gestellt als ein SGB II-Bezieher.
Auf die Aufforderung des Sozialgerichts, eine Bedarfsbescheinigung des Sozialhilfeträgers vorzulegen, hat der Kläger mitgeteilt, diese nicht vorlegen zu können, da er sie nicht beantragt habe. Er könne auch nicht erkennen, warum er diese vorlegen müsse, da er nur sei...