Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Ausschluss des Anspruchs eines Gehörlosen auf Versorgung mit einem Rauchmelder
Orientierungssatz
1. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird.
2. Im mittelbaren Behinderungsausgleich sind die Krankenkassen nur für einen Basisausgleich der Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Dabei muss es sich um Lebensbereiche handeln, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen gehören (vgl BSG vom 3.11.1999 - B 3 KR 3/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 34, BSG vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R = BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31 und BSG vom 24.4.2008 - B 3 KR 24/07 B).
3. Der von einem Gehörlosen begehrte Rauchmelder erleichtert diesem nicht das Hören. Durch ihn wird der Verlust der Hörfähigkeit nur für den nicht alltäglichen oder regelmäßig auftretenden Fall einer Rauchwarnmeldung kompensiert.
4. Der Bereich der Gefahrenabwehr durch Wahrnehmung eines Rauchwarnmelders gehört nicht zur medizinischen Rehabilitation, sondern fällt in den privaten Bereich der allgemeinen Vorsorge für Risiko- und Gefahrensituationen und ist damit der Eigenverantwortung des Einzelnen zuzurechnen.
5. Die Begrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt nicht gegen das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen aus Art 3 GG. Auch aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen lassen sich keine konkreten über § 33 SGB 5 hinaus gehende Leistungsansprüche herleiten (vgl BSG vom 18.5.2011 - B 3 KR 10/10 R = SozR 4-2500 § 33 Nr 35).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger mit zwei Rauchmeldern für Gehörlose zu versorgen.
Der 1956 geborene Kläger ist gehörlos und bei der Beklagten krankenversichert. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung beantragte er im April 2010 die Gewährung von zwei Rauchmeldern für Gehörlose sowie eines Lichtweckers und einer Lichtsignalanlage mit Kombisender für Tür und Telefon. Ausweislich des beigefügten Kostenvoranschlages beliefen sich die Kosten für die Rauchmelder auf je 146 EUR. Mit Bescheid vom 3. Mai 2010 bewilligte die Beklagte ihm einen Türklingelsender, vier Blitzlampen und einen Wecker. Die Gewährung von Rauchmeldern und Telefonsender lehnte sie ab, da es sich dabei nicht um Kassenleistungen handele.
Den vom Kläger gegen die teilweise Ablehnung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. November 2010 zurück.
Auf seine dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht die Beklagte mit Urteil vom 13. September 2011 verurteilt, den Kläger mit einem Kombi-Telefonsender zu versorgen und die Klage im Übrigen - hinsichtlich der begehrten Rauchmelder - abgewiesen. Insoweit hat es ausgeführt, Rauchmelder dienten allein der Gefahrenabwehr beziehungsweise der Unfallverhütung. Hierdurch werde, wie auch das Bundessozialgericht bereits entschieden habe, kein Grundbedürfnis tangiert, sodass eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegeben sei.
Gegen dieses seiner Bevollmächtigten am 24. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. November 2011 die vom Sozialgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Er trägt vor, entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts dienten die Rauchmelder nicht allein der Unfallverhütung, sondern dem Ausgleich des Grundbedürfnisses auf Hören. Es sei außerdem nicht ersichtlich, warum die Abwehr von Gefahren kein Grundbedürfnis sein solle. Auch sei die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich kritisch zu bewerten, da sie zur Ungleichbehandlung von verschiedenen Gruppen behinderter Menschen führe. So könnten schwerhörige Menschen mit Hörgeräten einen unmittelbaren Behinderungsausgleich erhalten und somit die Warnsignale von handelsüblichen Rauchmeldern wahrnehmen, wogegen gehörlose Menschen nur einen mittelbaren Behinderungsausgleich erhielten. Hier sei also das Ausmaß der Behinderung maßgeblich, ob jemand auf die Befriedigung von Grundbedürfnissen verwiesen werden könne oder nicht. Hinzu komme, dass in S. der Einbau von Rauchmeldern zwingend vorgeschrieben sei. Für nichtbehinderte Mieter einer Wohnung entstünden hierdurch keine Kosten, für den Kläger seien aber die vom Vermieter installierten Rauchmelder nutzlos.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. September 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit zwei Rauchmeldern für Gehörlose zu versorgen.
Die Be...