Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Genehmigung einer Satzungsänderung (hier: Wahltarif Prämienzahlung bei Leistungsbeschränkung). sozialgerichtliches Verfahren. Aufsichtsangelegenheit iS des § 29 Abs 2 Nr 2 SGG. Unvereinbarkeit der Satzungsänderung mit höherrangigem Recht. keine Möglichkeit der Leistungsabwahl allein kraft satzungsrechtlicher Bestimmungen der Krankenkasse. Auslegung. Gesetzesbegründung. Solidaritätsprinzip. Teilkostenerstattung
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 53 Abs 7 SGB 5 ist als dynamische Verweisung auf die im SGB 5 geregelten Fälle einer Leistungsbeschränkung für eine dort bestimmte Gruppe von Mitgliedern zu verstehen. Sie räumt den Krankenkassen nicht die Rechtsmacht ein, selbst die Voraussetzungen und den Adressatenkreis einer solchen Beschränkung durch Satzung zu regeln. Somit besteht keine Möglichkeit einer Leistungsabwahl allein kraft satzungsrechtlicher Bestimmungen.
2. Allein aus der Formulierung der Gesetzesbegründung zu § 53 Abs 7 SGB 5 kann nicht mit hinreichender Sicherheit geschlossen werden, der Gesetzgeber habe eine Möglichkeit der Leistungsabwahl kraft Satzungsrecht schaffen wollen.
Normenkette
SGB V § 53 Abs. 7, § 14; SGB IV § 34 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Genehmigung einer Änderung ihrer Satzung. Streitig ist hierbei, ob § 53 Abs. 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die Krankenkasse zur Einführung eines Wahltarifs bei Leistungsabwahl ermächtigt.
Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss am 9. Juli 2010 den 13. Nachtrag zur Satzung der Klägerin vom 1. Januar 2009. Einziger Inhalt dieser Änderung war die Einführung eines § 36 der Satzung. Diese Vorschrift lautet:
§ 36 Wahltarif Prämienzahlung bei Leistungsbeschränkung
(1) Volljährige Mitglieder mit einem beitragspflichtigen Jahreseinkommen ab 8.000.- Euro, deren Beiträge nicht vollständig von Dritten getragen werden, können die Beschränkung der Leistungen nach näherer Bestimmung des Absatzes 4 wählen. Das Mitglied erhält dafür eine Prämienzahlung. Die Einkommensgrenze nach Satz 1 gilt nicht für Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V.
(2) Die gleichzeitige Teilnahme an einem Wahltarif nach §§ 30, 31a-d, 32, 33a sowie 34 ist ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen ist eine Teilnahme für Mitglieder, die unter die Regelung des § 30 Abs. 7 und/oder § 31 Abs. 7 fallen.
(3) Die Wahl des Tarifs ist vom Mitglied unter Anerkennung der Teilnahmebedingungen schriftlich zu erklären. Nach Eingang der vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Teilnahmeerklärung beginnt die Teilnahme mit Wirkung zum nächsten Monatsersten. Das Mitglied ist ab dem Zeitpunkt des Beginns der Teilnahme mindestens drei Jahre an die Wahl gebunden. Die Mitgliedschaft bei der TK kann erst zum Ablauf der gesetzlichen Mindestbindungsfrist von drei Jahren gekündigt werden (§ 53 Abs. 8 Satz 2 SGB V).
Sofern das Mitglied den Tarif nicht bis zum Ablauf der Mindestbindungsfrist schriftlich kündigt, verlängert sich die Teilnahme automatisch um ein weiteres Jahr. Dies gilt entsprechend für alle folgenden Teilnahmeverlängerungen. Hat die Teilnahme unterjährig begonnen, verlängert sich der Tarif zunächst bis zum Ende des laufenden Kalenderjahres und erst danach jeweils um ein weiteres Jahr. Auch für die Dauer der Verlängerung der Teilnahme ist eine Kündigung der Mitgliedschaft bei der TK nicht möglich.
(4) Während der Teilnahme am Tarif ist für das Mitglied und seine nach § 10 SGB V familienversicherten volljährigen Angehörigen der Anspruch auf folgende Leistungen der TK ausgeschlossen:
- Zuschuss zu den übrigen Kosten bei ambulanten Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten (§ 23 Abs. 2 Satz 2 SGB V, § 20 Satz 3 TK- Satzung)
- Fahrkosten (§ 60 Abs. 3 Nr. 1, 2 und 4 SGB V), ausgenommen für Transporte in Krankenwagen oder Rettungsfahrzeugen bei medizinischen Notfällen
- Haushaltshilfe (§ 38 Abs. 2 SGB V, § 24 Abs. 3 TK-Satzung), ausgenommen im Haushalt lebt ein Kind, das bei Beginn der Haushaltshilfe das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist
- Leistungen nach dem Homöopathievertrag zur integrierten Versorgung (§ 140a SGB V, § 29a TK-Satzung)
- Reiseschutzimpfungen im Zusammenhang mit privaten Auslandsreisen (§ 20d Abs. 2 SGB V, § 19 Abs. 1 Satz 2 TK-Satzung).
Der Anspruch kann auch für einzelne oder mehrere dieser Leistungen ausgeschlossen werden. Die nach § 10 SGB V versicherten volljährigen Angehörigen des Mitglieds müssen der Leistungsbeschränkung zustimmen.
Die zum Teilnahmebeginn maßgebliche Leistungsbeschränkung gilt für mindestens drei Jahre. Bei weiterer durchgehender Teilnahme kann die Leistungsbeschränkung jeweils zum Beginn eines Kalenderjahres geändert werden. Eine entsprechende schriftliche Erklärung des Mitglieds und die Zustimmung der § 10 SGB V familienversicherten volljährigen Angehörigen müssen bis zum 30.11. des Vorjahres bei der TK eingehen.
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