Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit. Möglichkeit der fehlenden Abrechenbarkeit einer medizinisch indizierten Methode sowohl im stationären wie auch im ambulanten Bereich. Implantation eines Ereignisrecorders bei bestehenden Herzrhythmusstörungen in 10-minütigen Eingriff im Krankenhaus. Grundsatz "ambulant vor stationär"

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsatz der Erforderlichkeit nach § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 beinhaltet ein abgestuftes System, wonach der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit eine sozialmedizinische Prüfung danach erfordert, ob ein ambulantes Vorgehen im konkreten Fall ausreicht, um der Krankheit angemessen zu begegnen oder ob ein teilstationäres Verfahren notwendig wird oder, wenn dieses auch nicht ausreicht, ein vollstationäres Behandlungssetting allein aus medizinischen Gründen erforderlich ist (vgl BSG vom 30.6.2009 - B 1 KR 24/08 R = BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17 und vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 19).

2. Es ist möglich, dass zwar einerseits eine nach Fachmeinung der Ärzte medizinisch indizierte neue Diagnostikmethode rechtmäßig stationär im Rahmen des insoweit geltenden sog Verbotsvorbehalts mangels Verbot dieser Methode erbracht werden kann, aber mangels der Erforderlichkeit der Behandlung im Rahmen einer stationären Versorgung nicht zulasten der Krankenkassen abrechenbar ist, während anderseits einer ambulanten Versorgung ebenfalls deren fehlende Abrechenbarkeit entgegensteht.

3. Ist bei bestehenden Herzrhythmusstörungen des Versicherten die Implantation eines Ereignisrecorders in einem Krankenhaus durchgeführt worden und hat der Eingriff unter örtlicher Betäubung lediglich 10 Minuten gedauert, so scheitert der Vergütungsanspruch des Krankenhauses für die durchgeführte Behandlung des Versicherten an dem Grundsatz "ambulant vor stationär".

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.04.2023; Aktenzeichen B 1 KR 108/21 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung hier insbesondere um die Frage einer primären Fehlbelegung bei Implantation eines Eventrecorders.

Die Klägerin ist Trägerin des zugelassenen Klinikums K., bei dem es sich um ein Herz- und Diabeteszentrum handelt. Die am xxxxx 1961 geborene und bei der Beklagten seinerzeit krankenversicherte I.M. (im Folgenden: Versicherte) wurde vom 26. bis 27. Juli 2016 stationär in dem klägerischen Klinikum behandelt. Die Aufnahme der Versicherten erfolgte elektiv zur Implantation eines Ereignis-Rekorders, um anfallsartig auftretende Herzrhythmusstörungen detektieren und dann gegebenenfalls kurzfristig eine bedarfsweise Antikoagulation initiieren zu können. Zum Aufnahmezeitpunkt war die Versicherte sinusrhythmisch und beschwerdefrei. Nach Aufklärung der Versicherten und Vorbereitung der Operation mit Elektrokardiogramm (EKG)- und Laboruntersuchung wurde die Implantation noch am Aufnahmetag in örtlicher Betäubung vorgenommen. Der Eingriff dauerte 10 Minuten. Nach anschließender Beobachtung auf der Station und Abfrage des Gerätes mit Erstprogrammierung erfolgte die Entlassung der Versicherten nach unkompliziertem Verlauf beschwerdefrei am Folgetag. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Behandlungsverlaufs wird auf die Krankenakte der Klägerin Bezug genommen.

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten für den stationären Aufenthalt der Versicherten mit Schlussrechnung vom 4. August 2016 eine Vergütung von 3.986,00 EUR geltend und legte dabei als Hauptdiagnose Z01.80 (Abklärung einer Disposition für maligne Herzrhythmusstörungen) und als Prozedur den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-377.8 (Ereignis-Rekorder) mit der daraus resultierenden Fallpauschale DRG F12H (Diagnosis Related Group - diagnosebezogene Fallpauschale) zugrunde. Der entsprechende Betrag wurde von der Beklagten zunächst bezahlt.

Die Beklagte beauftragte dann im Folgenden jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung und der kodierten Hauptdiagnose.

Mit Stellungnahme vom 24. Oktober 2016 gelangte die Ärztin des MDK, Dr. H., nach Einsicht in die Krankenhausunterlagen zu dem Ergebnis, dass die durchgeführten Maßnahmen auch ambulant oder prästationär hätten durchgeführt werden können, so dass von einer primären Fehlbelegung auszugehen sei. Zudem sei die von der Klägerin kodierte Hauptdiagnose Z01.80 in die Hauptdiagnose R55 (Synkope und Kollaps) zu ändern. Bezüglich der Änderung der Hauptdiagnose wurde zwischen den Beteiligten Einvernehmen erzielt.

Mit Schreiben vom 1. November 2016 bat die Beklagte die Klägerin unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK um Rechnungsstornierung und kündigte an, den überzahlten Betrag anderenfalls zu verrechnen.

Nachdem eine entsprechende Reaktion seitens der Klägerin nicht erfolgt war, verrechnete di...

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