Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeaufforderung. wiederholte Meldeversäumnisse. Ermessensfehlgebrauch
Orientierungssatz
Ist nach einer raschen Abfolge von mehreren Meldeaufforderungen, denen der Arbeitsuchende bisher keine Folge geleistet hatte, nicht zu erwarten, dass dieser der neuerlichen Meldeaufforderung nunmehr nachkommen wird, muss der Grundsicherungsträger im Rahmen der Ermessensausübung seine Erwägungen, die ihn zum Festhalten an dem eingeschlagenen Weg bewegt haben, deutlich machen oder andere und erfolgversprechendere Wege der Eingliederung in Betracht ziehen (vgl auch BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R = BSGE 119, 17 = SozR 4-4200 § 31a Nr 1).
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Juni 2016 abgeändert: Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2015 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 23. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2014 verpflichtet, der Klägerin für die Monate November und Dezember 2013 sowie Januar 2014 weitere 38,20 Euro zu gewähren. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Sanktionsbescheid des Beklagten wegen eines Meldeversäumnisses und begehrt die Auszahlung der einbehaltenen Leistungen.
Die 1955 geborene erwerbsfähige und leistungsberechtigte Klägerin bezieht seit Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Am 24. April 2012 teilte die Klägerin mit, dass sie die Pflege ihrer Mutter übernommen habe und seit März das Pflegegeld der Pflegestufe I ihrer Mutter erhalten würde. Es liegt ein Schreiben der Pflegekasse vom 10. April 2012 vor, nach dem die Mutter der Klägerin seit dem 28. März 2012 Leistungen der Pflegestufe I erhalte.
Mit Schreiben vom 17. April 2013 wurde die Klägerin von der für sie zuständigen Arbeitsvermittlerin in die Räumlichkeiten des Beklagten zu einem Gespräch am 14. Mai 2013 eingeladen. Als Zweck des Gesprächs war die Besprechung der aktuellen beruflichen Situation der Klägerin genannt. Die Klägerin erschien zu dem angegebenen Meldetermin nicht und meldete sich auch sonst nicht bei dem Beklagten.
Es erfolgten weitere Einladungen zu Terminen am 28. Mai 2013, 20. Juni 2013, 9. Juli 2013 und 27. August 2013. Die Termine verstrichen, ohne dass die Klägerin diese wahrnahm oder sich zu den Hinderungsgründen äußerte.
Der Beklagte erließ aufgrund der Meldeversäumnisse zunächst zwei Sanktionsbescheide (vom 21. Juni 2013 und 19. Juli 2013), mit welchem er für die Dauer von jeweils drei Monaten eine Minderung des Leistungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 10% feststellte. Entsprechend wurden die Auszahlungen gekürzt. Gegen den Bescheid vom 21. Juni 2013 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie habe bereits mit Schreiben vom 22. April 2012 ihre persönliche Situation mitgeteilt, ohne dass der Beklagte hierzu Rückfragen gehabt hätte. Der Widerspruch wurden zurückgewiesen und die hiergegen erhobenen Klage blieben ebenfalls erfolglos (zuletzt LSG Hamburg, Beschluss v. 26.1.2016 - L 4 AS 99/15 NZB).
Mit Bescheid vom 17. Juli 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014. Auf den Bescheid wird verwiesen.
Die Klägerin wurde sodann mit Schreiben vom 27. August 2013 aufgefordert, sich am 19. September 2013 um 12:00 Uhr in den Räumlichkeiten der Arbeitsvermittlung einzufinden, um über die aktuelle berufliche Situation zu sprechen. Die Klägerin wurde zudem aufgefordert, ihre Bewerbungsunterlagen mitzubringen. Das Schreiben enthielt eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung.
Weiter erließ der Beklagte am 16. September 2013 wegen des Meldeversäumnisses am 9. Juli 2013 sowie am 24. September 2013 wegen des Meldeversäumnisses am 27. August 2013, wie zuvor bzw. mit dem Einladungsschreiben zum Termin am 19. September 2013 angekündigt, jeweils einen Sanktionsbescheid mit einem Sanktionszeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 31. Dezember 2013. Nachfolgende Widerspruchs- und Klageverfahren bleiben erfolglos (zuletzt LSG Hamburg, Beschluss v. 26.1.2016 - L 4 AS 100/15 NZB und L 4 AS 101/15 NZB).
Da die Klägerin den Termin am 19. September 2013 nicht wahrnahm, lud der Beklagte sie mit Schreiben vom gleichen Tag zu einem neuen Gesprächstermin am 22. Oktober 2013 ein, hörte sie zugleich zu einer beabsichtigten Minderung wegen ihres unentschuldigten Fernbleibens an und erließ sodann am 24. Oktober 2013 einen Sanktionsbescheid, mit welchem er die Minderung des Auszahlungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 1. November 2013 bis 31. Januar 2014 in Höhe von monatlich 38,20 Euro feststellte. Die Leistungen behielt der Bek...