Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht - Zuerkennung des Merkzeichens G

 

Orientierungssatz

1. Aus einem Teil-GdB-Wert von 40 für eine psychische Störung, einem solchen von jeweils 30 für einen Herzklappenersatz und eine Lungenfunktionseinschränkung sowie einem von 20 für eine Niereninsuffizienz ist ein Gesamt-GdB von 60 zu bilden.

2. Die Zuerkennung des Merkzeichens G setzt voraus, dass die sich auf das Gehvermögen des Betroffenen auswirkenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 50 zu bewerten sind. Eine fehlende Wegefähigkeit im rentenrechtlichen Sinn ist insoweit ohne Bedeutung.

3. Aus dem Bezug einer bewilligten Erwerbsminderungsrente bzw. aus bewilligten Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung kann nicht auf den zu bemessenden Gesamt-GdB bzw. die Zuerkennung des Merkzeichens G geschlossen werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 26.11.2020; Aktenzeichen B 9 SB 48/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die Herabsetzung seines Grades der Behinderung (im Folgenden: GdB) und darüber hinaus den Entzug des gesundheitlichen Merkmals G.

Der am ... 1963 geborene Kläger stellte am 4. Februar 1991 erstmalig einen Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 stellte die Beklagte einen GdB von 70 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G fest. Berücksichtigt wurden dabei unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme ein Herzklappenfehler und eine Herzleistungsminderung mit einem Teil-GdB von 40, eine psychische Minderbelastbarkeit mit einem Teil-GdB von 40 sowie eine Lungenfunktionseinschränkung mit einem Teil-GdB von 30.

Im Oktober 2012 leitete die Beklagte von Amts wegen eine Überprüfung des GdB ein und holte im Zuge dessen einen Befund- und Behandlungsbericht der den Kläger behandelnden Ärztin Dr. W. ein (Bl. 82 ff. der Verwaltungsakte der Beklagten). Als Diagnosen benannte sie dort Aorteninsuffizienz, Depression, chronisches Schmerzsyndrom, Gonarthrose rechts, primäre Hypothyreose, Hyperhidrosis, Diabetes mellitus. Aus dem beigelegten Untersuchungsbefund von Dr. N. vom 21. Mai 2012 ergab sich, dass sich der Kläger am 15. Februar 2008 einer Aortenklappenoperation im Universitätsklinikum Eppendorf unterzogen hatte. Im Nachgang dieser Operation habe die mechanische Außenklappe eine regelrechte Funktion ohne Leck oder Insuffizienz. Die kardiale Situation sei bei normaler systolischer und diastolischer linksventrikulärer Funktion insgesamt stabil.

Nach Auswertung der vorliegenden Befund- und Behandlungsberichte im Rahmen einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22. April 2013 durch Dr. S. (Bl. 87 der Verwaltungsakte der Beklagten) hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 2. August 2013 zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 60 nebst Entzug des Merkzeichens G an. Hierzu führte sie aus, dass nach der Aortenklappenoperation eine normale Herzfunktion vorliege und eine Leistungsminderung nicht mehr nachweisbar sei. Insoweit sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten, sodass ein Gesamt-GdB von 60 angemessen sei. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G lägen nicht mehr vor.

Mit Schreiben vom 30. September 2013 äußerte der Kläger, dass er in seiner Wegefähigkeit eingeschränkt sei durch Schmerzen, Krämpfe, Schwitzen, Ermüdung und Schwindelgefühle. Er stehe unter Dauermedikation, was erhebliche Nebenwirkungen nach sich ziehe. Ohne eine Wertmarke könne er nicht mehr seine Familie im R. oder Studienfreunde in O., L. oder Kriegsgräber von Verwandten in F. besuchen. Einen Herabsetzungsbescheid werde er nicht akzeptieren, da dies seine wirtschaftliche Situation und seine Lebensqualität beeinträchtige. Er könne sich aber vorstellen, einen auf 60 herabgesetzten GdB bestandskräftig werden zu lassen, wenn im Gegenzug das Merkzeichen G erhalten bliebe.

Mit Neufeststellungsbescheid vom 19. November 2013 legte die Beklagte den GdB mit Wirkung vom 19. Dezember 2013 auf 60 fest. Zudem stellte sie fest, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen G ab diesem Datum nicht mehr vorlägen. Der Schwerbehindertenausweis und das Beiblatt mit Wertmarke würden für ungültig erklärt. Als Gesundheitsstörungen berücksichtigte die Beklagte nunmehr eine psychische Störung mit einem Teil-GdB von 40, eine Lungenfunktionseinschränkung mit einem Teil-GdB von 30 und einen Herzklappenersatz mit einem Teil-GdB von 30.

Hiergegen erhob der Kläger am 2. Dezember 2012 Widerspruch und regte ein weiteres Mal an, den GdB auf 60 herabzusetzen und das Merkzeichen G aufrechtzuerhalten.

Auf Anforderung der Beklagten teilte Dr. W. am 6. Mai 2014 mit, dass der Kläger unter einer Dyspnoe und Herzrhythmusstörungen (NYHA Klasse III) leide. ...

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