Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Krankenversicherungsbeitrags des freiwillig Krankenversicherten nach der Mindestbemessungsgrundlage unabhängig von einer Einkommenserzielung

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Mitgliedschaft des Versicherten in der freiwilligen Krankenversicherung nach § 188 SGB 5 sind die Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage festzusetzen. Auch mit niedrigen Einkünften bzw. ohne Einkünfte sind Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen. Eine beitragsfreie Versicherung ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen.

2. Dies gilt auch bei einem grundsätzlichen Anspruch des Betroffenen auf Leistungen des SGB 2 bzw. des SGB 12, den dieser aufgrund eines Verstoßes gegen seine Mitwirkungsobliegenheiten nach §§ 66, 60 bis 64 SGB 1 verloren hat.

3. Die Vorschrift des § 188 Abs. 4 SGB 5 ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 22.03.2018; Aktenzeichen B 12 KR 5/17 BH)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie auch im Zeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 1. Mai 2015 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gewesen ist.

Die Klägerin bezog Arbeitslosengeld II und war seit 14. Oktober 2011 durchgehend arbeitsunfähig. Nachdem sie eine ärztliche Untersuchung zur Prüfung der Erwerbsfähigkeit verweigert hatte, versagte der Leistungsträger mit Bescheid vom 20. Mai 2014 wegen mangelnder Mitwirkung die Leistungen mit Ablauf des 31. Mai 2014. Ein hiergegen gerichtetes Eilverfahren vor dem Sozialgericht Hamburg und dem Landessozialgericht Hamburg (S 34 AS 4222/14 ER und L 4 AS 515/14 B ER) blieb ebenso erfolglos wie das Hauptsacheverfahren in beiden Instanzen (S 34 AS 2820/14 und L 4 AS 505/15).

Mit Bescheiden vom 22. Oktober 2014 und vom 23. Januar 2015 erhob die Beklagte den Beitrag zur Auffangversicherung ab 1. Juni 2014 aus der Mindestbemessungsgrundlage. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015, auf dessen Inhalt gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 153 Abs. 1 SGG Bezug genommen wird), ebenso ein Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz in zwei Instanzen (Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 - S 33 KR 1721/14 ER - auf dessen Inhalt Bezug genommen wird und Beschluss des LSG Hamburg vom 31. März 2015 - L 1 KR 11/15 B ER, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird).

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 6. Dezember 2016 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Beklagte habe zu Recht für die Zeit ab 1. Juni 2014 eine Mitgliedschaft in der freiwilligen Kranken (und- Pflegeversicherung) festgestellt und die Beiträge zutreffend nach der Mindestbemessungsgrundlage festgesetzt. Es werde Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrem Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2015 und die Beschlüsse des Sozialgerichts Hamburg vom 5. Februar 2015 (S 33 KR 1731/14 ER) sowie des Landessozialgerichts Hamburg vom 31. März 2015 (L 1 KR 11/15 B ER). Ergänzend sei anzumerken, dass eine beitragsfreie Versicherung vom Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht vorgesehen sei. Auch mit niedrigen Einkünften bzw. ohne Einkünfte seien Beiträge nach der Mindestbemessungsgrundlage zu zahlen. Soweit ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bestehe, seien die Beiträge in der Regel vom Leistungsträger zu übernehmen. Die Klägerin habe grundsätzlich einen Leistungsanspruch nach dem SGB II, gegebenenfalls nach dem SGB XII, aufgrund mangelnder Mitwirkung seien die Leistungen jedoch versagt worden. Aus diesem Grund endete die Pflichtversicherung und wandelte sich in eine freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung mit entsprechender Verpflichtung, Beiträge zu entrichten, um.

Die Klägerin hat gegen den am 8. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 11. Dezember 2016 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, das Sozialgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob nicht weiterhin Versicherungspflicht bestanden habe. Die Beklagte sei über ihre Probleme mit dem Jobcenter und die verweigerte Sozialleistung informiert gewesen, das diesbezügliche Verfahren sei auch nicht abgeschlossen, die Beklagte hätte dieses abwarten müssen. Die Versicherungspflicht sei auch nicht nur vom Arbeitslosengeld II - Bezug abhängig. Einer Beitragspflicht entsprechend den Regeln der Pflichtversicherung widerspreche sie nicht und begehre im Gegenteil genau diese Feststellung. Sie sei gegen ihren Willen trotz bestehender Bedürftigkeit aus der Pflichtversicherung "geworfen" worden und solle nun um die Mindestbeiträge "abgezockt" werden, obwohl sie nach geltendem Recht niemals freiwillig versichert sein könne. Sie sei auch de facto überhaupt nicht in der Lage, sich freiwillig zu versichern und habe eine derartige Erklärung auch niemals abgegeben. Dadurch, dass das gemutmaßte Ende der Vers...

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