Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Weiterbewilligung des Krankengeldes
Orientierungssatz
1. Nach § 46 S. 2 SGB 5 bleibt der Anspruch auf Krankengeld jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
2. Die Möglichkeit einer nachträglichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit besteht bei nachgewiesener Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten (BSG Urteil vom 11. 5. 2017, B 3 KR 22/15 R).
3. Beruht die verspätete Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit auf Umständen, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen zuzurechnen sind, so muss der Versicherte zur weiteren Aufrechterhaltung seines Krankengeldanspruchs alles in seiner Macht Stehende getan haben.
4. Es besteht keine Obliegenheit der Krankenkasse, von sich aus auf die Notwendigkeit der erneuten ärztlichen Feststellung der Krankheit vor Ablauf des Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen (BSG Urteil vom 16. 12. 2014, B 1 KR 25/14).
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtlichen Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Fortzahlung eines Krankengeldes an den Kläger über den 29. September 2018 hinaus.
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die Mitgliedschaft basierte auf dem Bezug von Arbeitslosengeld I durch den Kläger, der mit Ablauf des 10. Juli 2018 endete.
Während des Bezugs erhielt der Kläger durch seinen behandelnden Arzt ab dem 30. Mai 2018 die Diagnose des Erschöpfungssyndroms in Form von Depressionen und die Diagnose der Gelenkschmerzen, wobei dies nahtlos durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich zum 28. September 2018 (Freitag) festgestellt wurde. Die weitere Arbeitsunfähigkeit wurde erst durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 2. Oktober 2018 (Dienstag) festgestellt, die der Kläger am 5. Oktober 2018 einreichte.
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2018 erklärte die Beklagte die Beendigung der Krankengeldauszahlung ab dem 28. September 2018 auf Grund der lückenhaften Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Dagegen legte der Kläger am 5. November 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung reichte der Kläger ein Attest seines behandelnden Arztes vom 31. Oktober 2018 ein, wonach der Kläger wegen einer depressiven Episode (F32.2) mit Unruhe, Zukunftsängsten, Antriebsarmut, depressiver Stimmung und Weinerlichkeit behandelt werden musste. Der Kläger habe aus Sicht seines behandelnden Arztes die rechtzeitige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch sein Krankheitsbild verpasst. Der Kläger sei auch weiterhin arbeitsunfähig. Am 30. Oktober wurde eine Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 27. November 2018 festgestellt.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit einem Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2019 zurück und bezog sich auf die geltende Rechtslage gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Klägers spätestens am 1. Oktober 2018 hätte verlängert werden müssen, um den Krankengeldanspruch nahtlos über den 28. September 2018 hinaus weiter aufrecht zu erhalten. Da hier kein Ausnahmefall vorliege, wonach ein Verschulden auf Beklagtenseite oder die Handlungs- oder Geschäftsunfähigkeit des Klägers bestehe, könne die Arbeitsunfähigkeit auch nicht rückwirkend festgestellt werden.
Am 28. März 2019, eingegangen am 1. April 2019, hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Verurteilung des Klägers unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 2018 und unter Aufhebung des Widerspruchbescheides vom 27. Februar 2019 zur Zahlung von Krankengeld über den 28. September 2018 hinaus nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen begehrt. Der Kläger behauptet, er sei nicht in der Lage gewesen, seine Arbeitsunfähigkeit nahtlos feststellen zu lassen, dies ergebe sich aus dem Attest vom 31. Oktober 2018 seines behandelnden Arztes. Die Beklagte habe sich nicht ausreichend mit dem Gesundheitszustand des Klägers auseinandergesetzt. Weiterhin meint der Kläger, die Beklagte sei nicht ihrer gesteigerten Beratungs- und Hinweispflicht bezüglich der Notwendigkeit der nahtlosen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nachgekommen, woraus sich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergebe. Die Beklagte müsse in unübersehbarer und nachhaltiger Weise ihren Versicherten verdeutlichen, dass der Verlust des Krankengeldanspruchs schon bei mangelnder lückenloser Attestierung entstehe. Darüber hinaus bestehe ein Anspruch des Klägers aus dem Rechtsinstitut der Nachsichtgewährung, wonach in bestimmten Fällen eine Berufung der Verwaltung auf ein Fristversäumnis treuwidrig sei. So ein Fall liege hier vor, da ein denkbar geringfügiger Verstoß an eine offensichtlich unangemes...