Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH. Rechtsmacht. qualifizierte Sperrminorität. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Orientierungssatz
Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Gesellschafter-Geschäftsführerin, der nach dem Gesellschaftsvertrag eine so umfassende Rechtsmacht in Form einer qualifizierten Sperrminorität eingeräumt wurde, dass sie trotz einer bloßen Kapitalbeteiligung an der GmbH im Umfang von 25% ihr nicht genehme Weisungen verhindern und sich einer Änderung der Gesellschaft wirksam widersetzen kann.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch über die Feststellung von Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) in der Zeit ab dem 16. Oktober 2015 bis zum 31. Dezember 2016. Insoweit kommt es darauf an, ob die Sperrminorität, die der Klägerin nach § 7 des Gesellschaftsvertrages eingeräumt wurde, ihr eine so umfassende Rechtsmacht einräumte, dass sie trotz einer bloßen Beteiligung an der GmbH im Umfang von 25 % ihr nicht genehme Weisungen verhindern oder die Geschicke des Unternehmens bestimmen konnte.
Die Beigeladene zu 1) betrieb in der Rechtsform der GmbH Unternehmensberatung und die Vermittlung von Immobilien. Die Klägerin war ab dem 15. Juli 2013 Gesellschafterin der Beigeladenen zu 1). Sie war mit einer Stammeinlage von 6.250 Euro (25%) am Stammkapital der Beigeladenen zu 1) in Höhe von insgesamt 25.000 Euro beteiligt. Den übrigen Anteil von 18.750 Euro (75%) hielt der weitere Gesellschafter und Geschäftsführer T.S. Laut Gesellschaftsvertrag vom 5. Juni 2014 kamen die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorgeschrieben hatten. Je ein Euro des Nennbetrages eines Geschäftsanteils gewährte eine Stimme. Mit notarieller Urkunde des Gesellschafterbeschlusses vom 16. Oktober 2015 wurde der Gesellschaftsvertrag dahingehend geändert, dass zwar weiterhin die Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit zustande kamen, jedoch für verschiedene Beschlüsse 76 % der abgegebenen Stimmen erforderlich waren.
§ 7 Abs. 4 Gesellschaftsvertrag sieht seitdem eine 76%-Mehrheit vor für Beschlüsse betreffend:
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- Änderungen der Satzung, |
- Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern, Liquidatoren und Prokuristen einschließlich der Entscheidung über die Vertretungsberechtigung sowie Abschluss, Beendigung und Änderung der Anstellungsverträge mit diesen, |
- Zustimmungen und Weisungen zu Geschäftsführungsmaßnahmen |
- Erlass, Änderung und Aufhebung einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, |
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- Feststellung des Jahresabschlusses und Ergebnisverwendung, |
- Ausschluss von Gesellschaftern nebst dessen Umsetzung, |
- Befreiung von einem etwaigen Wettbewerbsverbot, |
- die Bildung oder der Erwerb von sog. „eigenen Anteilen“ und |
- Verlegung des Verwaltungssitzes und/oder des Ortes der Geschäftsleitung an einen anderen als den Satzungssitz. |
Die Klägerin war zunächst vom 1. Juli 2013 bis zum 31. Dezember 2014 als Geschäftsführerin ohne Alleinvertretungsmacht bei der Beigeladenen zu 1) tätig. Ab dem 1. Januar 2015 war die Klägerin alleinvertretungsberechtigte und vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreite Geschäftsführerin. Laut dem Geschäftsführervertrag vom 1. Januar 2015 war die Klägerin nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden. Allerdings durfte sie bestimmte Geschäfte nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung ausführen. Die Klägerin erhielt eine feste monatliche Vergütung in Höhe von 5.000 Euro, sowie eine Weihnachtsgratifikation und erfolgsabhängige Tantiemen. Geschäftsführungs- und betriebsbedingte Kosten und Aufwendungen, sowie Reisespesen wurden ihr durch die Beigeladene zu 1) ersetzt. Des Weiteren hatte sie Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Laut Angaben der Klägerin, wurden ihr ihre Bezüge nach Abzug der Lohnsteuer überwiesen. Seit dem 31. Dezember 2016 übt die Klägerin die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der Beigeladenen zu 1) nicht mehr aus. Die Gesellschaft befindet sich seitdem in Liquidation. Die Klägerin ist seitdem weiter im ursprünglichen Geschäftsbereich selbständig tätig, allerdings allein und nicht mehr mit der Rechtsform einer GmbH.
Die Klägerin beantragte am 11. Mai 2015 bei der Beklagten die Feststellung, dass ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) ab dem 1. J...