Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Altersgrenze von 68 Jahren. kein Verstoß gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht

 

Orientierungssatz

Die Regelungen der §§ 95 Abs 7 S 2 SGB 5 iVm Art 33 § 1 GSG verstoßen weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.04.2004; Aktenzeichen B 6 KA 106/03 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers zum 31. Dezember 1998 wegen Überschreitens der Altersgrenze.

Der am 11. November 1929 geborene Kläger war ab 1964 u. a. als Vertragsarzt zugelassen. Seinen Antrag, trotz Überschreitens der Altersgrenze über den 31. Dezember 1998 hinaus als Vertragsarzt tätig sein zu dürfen, lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte mit Beschluss vom 23. März 1998 ab. Der Widerspruch wurde mit Beschluss des Berufungsausschusses vom 30. September 1998 zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 30. Dezember 1999 abgewiesen. Nach den gesetzlichen Regelungen gebe es keine Möglichkeit für eine vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers über den 31. Dezember 1998 hinaus. Die Altersgrenzenregelung für Vertragsärzte verstoße weder gegen das Grundgesetz <GG> noch gegen europäisches Gemeinschaftsrecht.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren macht er im Wesentlichen weiter geltend, dass die Altersgrenzenregelung verfassungs- und europarechtswidrig sei. Es handele sich um eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Art. 12 GG, da die getroffene Maßnahme nicht sinnvoll und nicht erforderlich gewesen sei. Sie verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht, weil es durch die national unterschiedlichen Altersgrenzen hinsichtlich der Möglichkeit, die erheblichen Investitionen zum Aufbau einer Arztpraxis durch entsprechende Verdienste zu kompensieren, zu Wettbewerbsverzerrungen und zum Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit komme. Die Altersgrenzenregelung stelle eine Diskriminierung deutscher Ärzte dar.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Dezember 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 aufzuheben und festzustellen, dass er auch über den 31. Dezember 1998 hinaus weiter als zugelassener Vertragsarzt an der vertragsärztlichen Versorgung mit allen Rechten und Pflichten teilnehmen kann, hilfsweise dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 95 Abs. 7 Satz 2 und 3 SGB V iVm Art. 33 § 1 Gesundheits-Strukturgesetz verfassungsgemäß ist, höchsthilfsweise dem Europäischen Gerichtshof die im Schriftsatz vom 4. Februar 2000 genannten Fragen vorzulegen und das Verfahren bis zu dessen Entscheidung auszusetzen.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 4) und 5) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei zutreffend.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 30. Juli 2003 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) ist nicht begründet.

Aus den einfachgesetzlichen Regelungen (§ 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V iVm Art. 33 § 1 GSG) folgt, dass die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung bei Vertragsärzten am 1. Januar 1999 endet, die an diesem Tag das 68. Lebensjahr bereits vollendet haben. Diese Voraussetzung liegt beim 1929 geborenen Kläger vor. Ein Ausnahmetatbestand für die Verlängerung der Zulassung im Sinne des § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V ist nicht ersichtlich.

Diese Regelung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Sie ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie als eine die Berufswahl berührende subjektive Berufszulassungsbeschränkung zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes erforderlich ist. Selbst wenn man insoweit nicht auf die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte Sicherung vor Gefahren, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Vertragsärzten für die Gesundheit der Versicherten ausgehen können, abstellt, ist die Regelung von der Erwägung getragen, die zur Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung vom Gesetzgeber für zwingend erforderlich gehaltene Beschränkung der Zahl der zugelassenen Vertragsärzte nicht einseitig zu Lasten der jungen, an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration zu verwirklichen. Darauf, ob eine andere politische Lösung denkbar wäre oder im politischen Geschehen andere Ansätze auch vertreten werden, kommt es bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Normen nicht an. Zur weiteren Begründung wird auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 25. November 1998 (B 6 KA 4/98 R, BSGE 83, 135) sowie auf die wiede...

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