Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Nothelferanspruch. Leistungserbringung im Eilfall

 

Orientierungssatz

1. Ein für den Nothelferanspruch nach § 25 SGB 12 zunächst erforderlicher medizinischer Eilfall setzt voraus, dass der beim Nothilfeempfänger bestehende Bedarf nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB 12 unabwendbar ist und unmittelbar durch den Nothelfer gedeckt werden muss (vgl BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R = FEVS 66, 1 = juris RdNr 16 und vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R = BSGE 117, 261 = SozR 4-3500 § 25 Nr 5, RdNr 13).

2. Ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne liegt nur dann vor, wenn eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen ist. Ein Eilfall besteht ferner nur für den Zeitraum, in dem der Sozialhilfeträger nicht erreichbar ist oder der Nothelfer ohne Verletzung eigener Obliegenheiten davon ausgehen durfte, den Sozialhilfeträger nicht einschalten zu müssen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für die stationäre Krankenhausbehandlung des Herrn A. (im Folgenden: Patient) in der Klinik A1 im Zeitraum vom 16. August 2012 bis zum 4. September 2012 in Höhe von 4.265,74 EUR.

Die Klägerin betreibt als juristische Person des Privatrechts mehrere Krankenhäuser in H., wo die Beklagte u.a. die Aufgaben des örtlichen Trägers der Sozialhilfe wahrnimmt.

Der Patient ist p. Staatsangehöriger, er ist am x. 1978 geboren, war seit 27. Juni 2011 unter der Adresse H1 im Bezirk H.- N. gemeldet und meldete am 7. Juli 2011 ein Gewerbe als Trockenbauer an. Aus Anlass eines vorangegangenen Aufenthaltes des Patienten in der ebenfalls von der Klägerin betriebenen A2 Klinik A1 vom 18. bis 19. November 2011 wegen eines alkoholischen Anfallsleidens legte der Bevollmächtigte der Klägerin im damaligen Widerspruchsverfahren über die Ablehnung der Erstattung der Behandlungskosten (Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2012) ein Schreiben des polnischen Generalkonsulates vom 17. April 2012 vor, wonach der Patient in P. nicht krankenversichert war. Nach dem Aufenthalt in der Klinik A1 im November 2011 befand sich der Patient wiederholt zur Behandlung in anderen Krankenhäusern in H., was weitere Behandlungskostenerstattungsverfahren bei der Beklagten und beim Sozialgericht Hamburg nach sich zog.

Am Donnerstag, den 16. August 2012 um 8.35 Uhr wurde der Patient in der zentralen Notaufnahme der A2 Klinik A1 mit starken Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Verdacht auf einen cerebralen Krampfanfall mit Einnässen per Rettungswagen eingeliefert, nachdem der Rettungswagen um 8.00 Uhr alarmiert worden war. Der Patient war laut Arztbrief wach, klar und orientiert und wurde in der Klinik bis zum 4. September 2012 u.a. wegen abdomineller Schmerzen bei Vergrößerung von Leber und Milz, dekompensierter Leberzirrhose und Bauchschmerzen infolge einer Einklemmung einer Baucharterie (Dunbar-Syndrom) konservativ behandelt.

Mit Fax-Schreiben des Aufnahmebüros der Zentralen Notaufnahme der A2 Klinik A1 vom 16. August 2012, 8:14 Uhr, meldete die Klägerin den Behandlungsfall bei der Beklagten und stellte einen Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten.

Der Patient unterzeichnete am 16. August 2012 den Behandlungsvertrag über die stationäre Behandlung in der Klinik. Am gleichen Tage stellte die Klinik ein Dringlichkeitsattest aus, demzufolge nach dem Zustand des an einer Lebersynthesestörung, Milzvergrößerung, unklaren Bauchschmerzen und Zustand nach Epilepsie leidenden Patienten eine sofortige Aufnahme dringend geboten und eine Zurückweisung ohne Gefahr für Leben und Gesundheit nicht möglich gewesen sei. Der Patient unterschrieb am 16. August 2012 auch eine Mittellosigkeitserklärung. In einem "Aufnahmebogen unklarer Kostenträger" vom 21. August 2012 gab er an, dass er wohnungslos sei, keine Krankenversicherung habe, vom Besuch von sozialen Einrichtungen und der Suppenküche lebe, keine finanziellen Mittel habe und nur polnisch spreche.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme mit Bescheid vom 22. August 2012 ab, da sie im Hinblick auf die seit 1. April 2007 bestehende allgemeine Krankenversicherungspflicht davon ausgehe, dass der Patient Mitglied einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung sei, so dass ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger nicht bestehe.

Mit Schreiben vom 23. August 2012 übersandte die Klägerin nochmals den Kostenübernahmeantrag für den Aufenthalt des Patienten und kündigte die Nachreichung von Unterlagen (Pass, Bestätigung des Generalkonsulates P., dass der Patient nicht in P. versichert sei, das Dringlichkeitsattest, die Mittellosigkeitserklärung und den Aufnahmebogen) an; diese Unterlagen gingen am 28. August 2012 bei der Beklagten ein.

Am 29. August 2012 erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. August 2012 und führte aus, der obdach- und mittellose Patient sei, wie ...

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