Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft. Nichtanwendbarkeit der Vermutungsregelung. Beweislast des Grundsicherungsträgers
Orientierungssatz
1. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs 3a Nr 1 SGB 2 ist unanwendbar in Fällen, in denen bereits ein Zusammenleben mit einem gemeinsamen Wirtschaften iS einer Bedarfsgemeinschaft gem § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB 2 bestritten wird. Dies führt jedoch nicht dazu, dass eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft angenommen werden kann, sondern es verbleibt dabei, dass die Beweis- und Darlegungslast beim Grundsicherungsträger verbleibt.
2. Zu ausreichenden Anhaltspunkten und zur Erfüllung der Darlegungslast des Grundsicherungsträgers für das Bestehen einer Einstehensgemeinschaft gem § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB 2.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichtes Schwerin vom 12. Juli 2010 wird aufgehoben.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass er vom Sozialgericht (SG) Schwerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller vorläufig Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 8. April bis zum 30. September 2010 zu gewähren. Streitig in der Sache ist hierbei, ob der Antragsteller mit seiner “Mitbewohnerin„ beziehungsweise jetzigen “Vermieterin„ C. St. eine Bedarfsgemeinschaft bildet; ferner ist streitig, ob auch bei Bestehen der Bedarfsgemeinschaft dem Antragsteller leistungshindernd entgegengehalten werden kann, dass Frau St. sich weigert, dem Antragsgegner Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu machen.
Der 1973 geborene Antragsteller ist ledig und bewohnte seit November 2003 eine knapp 48 m2 große Zweiraumwohnung in der H.Straße in S. Ab dem Frühjahr 2005 bezog er Grundsicherungsleistungen vom Antragsgegner, wobei er unter anderem einen Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte vom November 2005 zu den Akten reichte, ausweislich dessen er ab dem 1. Dezember 2005 für die Firma O. bei einem Herrn G. aus L. für 59 Stunden monatlich für eine Vergütung in Höhe von 165,00 € je Monat beschäftigt werde. Die Art der Tätigkeit sollte Kundenbetreuung im Innen- und Außendienst sein, Arbeitsort “Sch. und Umgebung„.
Im Februar 2006 wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass seine Kosten der Unterkunft (KdU) nach den bestehenden Richtlinien unangemessen seien, er werde aufgefordert, diese zu senken. Ab November 2006 wurden als KdU nur noch die als angemessen erachteten Kosten übernommen.
Im Februar 2007 legte der Antragsteller ein Wohnungsangebot der Sch. Wohnungsbaugenossenschaft über eine 2 2/2-Raumwohnung mit knapp 68 m2 in der M.Straße in S. zu einer Warmmiete von 428,97 € vor und beantragte die Zusicherung für die Übernahme der KdU für diese Wohnung. Er wolle eine Wohngemeinschaft mit Frau C. St. bilden und habe dann die Hälfte der Warmmiete zu zahlen. Er weise klarstellend darauf hin, dass es sich nicht um eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen handeln werde, sondern lediglich um eine Wohngemeinschaft mit weiteren Kostenvorteilen. Ergänzend bat er um dringliche Bearbeitung der Zusicherung, weil Frau St. spätestens ab dem 20. April 2007 in seine jetzige Wohnung aufgenommen werden müsse, weil sie ansonsten wegen Auszugs ihrer Eltern obdachlos würde. Mit Schreiben vom 14. Februar 2007 erteilte der Antragsgegner die Zusicherung zu den Aufwendungen dieser neuen Wohnung mit der Maßgabe, dass der angegebene Mietzins nur im Rahmen der Nutzung als Wohngemeinschaft angemessen sei.
Am 3. Mai 2007 teilte der Antragsteller sodann mit, dass er am 1. Juni 2007 in die neue Wohnung umziehen werde und legte hierzu einen Nutzungsvertrag “Wohngemeinschaft„, gültig bereits ab dem 1. Mai 2007, vor. Er gab ferner eine “Änderung„ seiner Bankverbindung dahingehend an, dass die Leistungen künftig auf ein Konto der Frau C. St. überwiesen werden sollten (zuvor hatte er kein Konto angegeben, allerdings ausweislich der Akten von der Agentur für Arbeit und der Wohngeldstelle der Stadt S. jedenfalls im Frühjahr 2005 noch Leistungen auf ein eigenes Konto erhalten).
Der Antragsgegner akzeptierte zunächst die Angabe, es handle sich um eine Wohngemeinschaft und gewährte dementsprechend Leistungen an den Antragsteller als Einzelbedarfsgemeinschaft. Im Zuge von Nachfragen zu seiner geringfügigen Nebenbeschäftigung gab der Antragsteller anlässlich einer Vorsprache im September 2007 an, dass die Firma, für die er die Nebenbeschäftigung ausübe, mit dem typischen Sommerloch zu tun habe; man werde hauptsächlich in Kitas und Schulen vorstellig wegen Bastelzubehör und Ähnlichem. Man wolle dann auch einen Laden eröffnen, noch reiche der Umsatz aber nicht aus. Im Oktober 2007 gab der Antragsteller dann zu seiner Nebenbeschäftigung an, dass der Inhaber ...