Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Pflegebedürftigkeit bei beantragten Leistungen der Hilfe zur Pflege - Begrenzung der Ermittlungen im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes
Orientierungssatz
1. Bei beantragten Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 19 Abs. 3 SGB 12 hat der Sozialhilfeträger den notwendigen pflegerischen Bedarf festzustellen. Dieser ist regelmäßig durch einen Hausbesuch des Pflegebedürftigen zu ermitteln.
2. Zur Bestimmung des zutreffenden Pflegegrades ist nachvollziehbar der Umfang der erforderlichen Bedarfe zu ermitteln. Ein Abstellen auf etwaige Angebote und Rechnungen der beauftragten Pflegedienste ist unzulässig.
3. Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist der Sachverhalt durch das Gericht summarisch zu würdigen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. die Vernehmung von Zeugen ist nicht geboten.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Notwendige außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes die weitergehende Übernahme von Kosten im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII.
Die am 1938 geborene Antragstellerin bezieht eine Altersrente iHv. 908,88 € und eine Witwenrente iHv. 738,96 € (Stand Juli 2022). Ab dem Juli 2018 wurde ihr der Pflegegrad 3 zuerkannt. Im Februar 2019 wurde ein Mietvertrag über eine Wohnung in der Wohngemeinschaft „V. m. n.“ geschlossen und am 30. Juni 2021 ein Pflegevertrag mit der Beigeladenen.
Unter dem 5. Juli 2021 stellte sie den Antrag auf Gewährung von Hilfe zur Pflege, welcher mit Bescheid vom 27. Dezember 2021 auf Grund übersteigenden Vermögens abgelehnt wurde. Hiergegen wurde mit Schreiben vom 26. Januar 2022 Widerspruch erhoben. Mit Bescheid vom 23. Februar 2022 wurden der Antragstellerin Pflegesachleistungen in monatlicher Höhe von 1.298,00 € ab dem November 2021 durch die Pflegekasse bewilligt.
Im Vorverfahren reichte die Antragstellerin Rechnungen der Beigeladenen für
- den Monat Januar 2022 vom 15. Februar 2022 über einen Rechnungsbetrag von 5.030,01 €;
- den Monat Februar 2022 vom 15. März 2022 über einen Rechnungsbetrag von 4.737,43 €
- den Monat März 2022 vom 12. April 2022 über einen Rechnungsbetrag von 5.175,64 €;
- den Monat April 2022 vom 6. Mai 2022 über einen Rechnungsbetrag von 5.060,72 €;
- den Monat Mai 2022 vom 9. Juni 2022 über einen Rechnungsbetrag von 5.247,60 €;
- den Monat Juni 2022 vom 11. Juli 2022 über einen Rechnungsbetrag von 5.085,80 € und
- den Monat Juli 2022 vom 8. August 2022 über einen Rechnungsbetrag von 5.325,94 €
ein. In den Rechnungen wurden die Leistungskomplexe wie folgt angeführt:
|
Monat: |
Jan 22 |
Feb 22 |
Mrz 22 |
Apr 22 |
Mai 22 |
Jun 22 |
Jul 22 |
L01 (Kleine Morgen-/Abendtoilette) |
29 |
27 |
31 |
31 |
31 |
30 |
31 |
L02 (Große Morgen-/Abendtoilette) |
31 |
28 |
31 |
29 |
31 |
30 |
31 |
L05 (Aufsuchen / Verlassen des Bettes) |
54 |
49 |
52 |
52 |
55 |
54 |
59 |
L06 (Lagern / Betten / Mobilisieren) |
31 |
28 |
31 |
30 |
31 |
30 |
31 |
L09a (Darm- / Blasenentleerung) |
218 |
204 |
222 |
215 |
221 |
222 |
236 |
L13 P (Reinigung der Wohnung (Poolen)) |
62 |
56 |
62 |
60 |
62 |
58 |
62 |
L14 (Wechseln / Waschen der Wäsche) |
13 |
12 |
13 |
13 |
13 |
12 |
13 |
L15bP (Vorratseinkauf (Poolen)) |
8 |
8 |
10 |
8 |
9 |
9 |
8 |
L16P (Warme Mahlzeit zubereiten (Poolen)) |
23 |
21 |
21 |
27 |
24 |
25 |
29 |
L17cP (Zubereitung einer sonstigen Mahlzeit (Poolen)) |
84 |
78 |
76 |
87 |
90 |
88 |
91 |
L18 (Trinken) |
111 |
105 |
114 |
97 |
110 |
107 |
114 |
L19P (pflegerische Betreuung (Poolen) |
46 |
56 |
62 |
60 |
62 |
60 |
62 |
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2022 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Hiergegen erhob die Antragstellerin unter dem 2. November 2022 Klage vor dem Sozialgericht Schwerin zum gerichtlichen Az. S 4 SO 72/22 .
Unter dem 2. November 2022 hat die Antragstellerin zugleich den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gestellt.
In diesem hat sie ausgeführt, dass der pflegerische Bedarf durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht sichergestellt werde. Die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners setzte bei dessen Kenntniserlangung ein und der Sozialhilfeanspruch sei ohne Zuwarten von Amts wegen zu erfüllen. Der Anordnungsgrund liege in der Pflegebedürftigkeit der Antragstellerin und deren Unvermögen zur Zahlung der monatlichen Kosten des ambulanten Pflegedienstes. Ein Abbruch der Pflege in der bisherigen Form sei zu befürchten. Die Kürzung des pflegerischen Bedarfs um monatlich 3.453,01 € sei fehlerhaft. Es sei ein pflegefachliches Gutachten über den Umfang des notwendigen pflegerischen Bedarfs einzuholen und die sachverständige Zeugin A. B. als verantwortliche Pflegefachkraft und Mitarbeiterin der Beigeladenen zu vernehmen.
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