Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. Verzögerung des Verfahrens in der ersten Instanz von 8 Monaten. keine gesteigerte Pflicht zur Verfahrensbeschleunigung in der zweiten Instanz. keine Herabsetzung der regelmäßigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit für das Berufungsgericht. Angemessenheitsprüfung. gerichtliche Aktivitätszeit. Passivmonat. Verfügung ins Sitzungsfach. Beantwortung von Sachstandsanfragen. Aktivmonat. Aktenübersendung
Orientierungssatz
1. Bei einer Verzögerung des Verfahrens in erster Instanz in Höhe von maximal acht Monaten handelt es sich nur um einen geringen Zeitraum, der insoweit noch nicht zu einer Verdichtung der Verpflichtung des LSG zur Beschleunigung des Verfahrens und damit auch nicht zu einer Herabsetzung der Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Gerichts in der zweiten Instanz führt.
2. Hat das Gerichtsverfahren viele Jahre gedauert, weil die Beteiligten das Ruhen des Verfahrens beantragt haben, führt dies nicht dazu, dass die Regelentschädigung von 100 Euro pro Monat wegen Unbilligkeit zu erhöhen wäre.
3. Die Verfügung „Sitzungsfach“ stellt keine Verfahrensförderung bzw prozessleitende Verfügung des Gerichtsverfahrens dar, die bei der Bemessung der Überlange des Gerichtsverfahrens einen Aktivmonat auslöst.
4. Gleiches gilt für die Beantwortung von Sachstandsanfragen durch das Gericht.
5. Eine Aktenübersendung an einen neuen Bevollmächtigten kann demgegenüber als Aktivitätszeit angesehen werden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt 9/10 und der Beklagte 1/10 der Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe einer Entschädigung wegen einer überlangen Dauer eines Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern (Az.: L 2 EG 2/13).
In dem der Entschädigungsklage zugrundeliegenden Verfahren stritten die Klägerin und der dortige Beklagte über die endgültige Festsetzung und Erstattung von Elterngeld für den Zeitraum vom 16. November 2007 bis 15. November 2008. Mit ihrer am 8. Dezember 2009 (S 9 EG 4/09) vor dem SG Rostock erhobenen Klage wandte sich die Klägerin gegen die endgültige Festsetzung des ihr gewährten Elterngeldes in Höhe des Mindestbetrages von 300 € monatlich und machte zum einen einen Anspruch auf höheres Elterngeld für den oben genannten Zeitraum geltend; zum anderen wandte sie sich gegen eine Erstattungsforderung der dortigen Beklagten wegen überzahlten Elterngeldes in Höhe von 10.068,00 €. Nach erfolgter Klagebegründung übersandte der dortige Beklagte unter dem 10. März 2010 die zugrundeliegende Verwaltungsakte und beantragte die Klage abzuweisen. Im November 2011 erfolgte die Ladung der dortigen Beteiligten zum Termin der mündlichen Verhandlung vor dem SG Rostock am 11. Januar 2012, wobei mit der Ladungsverfügung ein Hinweisschreiben an die Klägerin bezüglich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfolgte. Zu diesem Hinweis nahm die Klägerin mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 unter Einsendung weiterer Unterlagen Stellung. Zudem wurde eine anwaltliche Vertretung der Klägerin erstmals im Dezember 2011 gegenüber dem SG angezeigt. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin wurde die Klägerin aufgefordert, Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 und 2010 vorzulegen sowie darzulegen, welches Einkommen sie ab April 2008 aufgrund ihrer stundenweisen Tätigkeit erzielt habe. Darüber hinaus wies das SG auf eine ausstehende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) hin und schlug vor, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des BSG ruhend zu stellen, wenn beide Beteiligten dies beantragten. Hieraufhin beantragten sowohl die Klägerin als auch der dortige Beklagte übereinstimmend, dieses Verfahren ruhend zu stellen. Dies erfolgte letztlich mit dem Beschluss des SG Rostock vom gleichen Tage. Nach Erinnerung des SG Rostock bezüglich der Einreichung von weiteren Unterlagen übersandte die Klägerin im Mai 2012 Unterlagen zu ihrem Einkommen in den Jahren 2008, insbesondere für den Zeitraum ab April 2008 (u.a. betriebswirtschaftliche Auswertungen von Januar bis Dezember 2008). Mit Beschluss vom 28. Januar 2013 erklärte das SG Rostock das Ruhen des Verfahrens für beendet und nahm das Verfahren wieder auf. Es seien vorliegend keine Gründe mehr erkennbar, die das weitere Ruhen des Verfahrens als zweckmäßig erschienen ließen. Das BSG habe nunmehr mit Urteil vom 5. April 2012 über das zuvor erwähnte Verfahren entschieden. Darüber hinaus erfolgte Anfang Februar 2013 die Ladung zu einem weiteren Termin der mündlichen Verhandlung am 13. März 2013, verbunden mit dem Hinweis an die Klägerin, zu dem vorgenannten Urteil des BSG Stellung zu nehmen. Unter dem 12. März 2013 bat die Klägerin um Terminsverlegung aufgrund einer Erkrankung ihres damaligen Prozessbevollmächtigten. Hieraufhin erfolgte die Terminsaufhebung durch das SG und zum 20. März 2013 eine Ladung zu einem weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Mai 2013. Dieser Termin wurde jedoch...